"Enthauptungsschlag" Rätselraten um Saddams Schicksal

Die Kämpfe in Bagdad werden immer härter: Bodentruppen liefern sich Gefechte im Regierungsviertel, US-Kampfbomber fliegen neue Angriffe gegen die Innenstadt. Ob Saddam und seine Söhne getroffen wurden, weiß niemand.

Die US-Armee hat mit einem zweiten «Enthauptungsschlag» auf ein Gebäude in Bagdad das Rätselraten um das Schicksal von Präsident Saddam Hussein am Dienstag erneut entfacht. Doch bislang weiß niemand, ob sich Saddam Hussein mit seinen Söhnen und anderen Mitgliedern der Führungsclique am Montagabend wirklich in dem Restaurant im Stadtteil Mansur aufgehalten hatte oder ob er sich seit Kriegsbeginn in einem seiner zahlreichen Bunker versteckt.

Unterdessen haben die Alliierten mit der systematischen Zerstörung der Symbole seiner Macht begonnen. Die Iraker selbst sehen die in ausländischen Fernsehsendern ausgestrahlten Bilder von umgestürzten Saddam-Statuen und US-Soldaten, die in Sesseln im Präsidentenpalast posieren, jedoch nicht. Sie merken nur am Vorrücken der US-Panzer in der Stadt, dass dem irakischen Machthaber die Kontrolle über einen großen Teil seiner Streitkräfte und Milizen offenbar entglitten ist.

Luftangriff in der ersten Kriegsnacht überlebt

Fest steht bislang nur, dass Saddam Hussein den gegen ihn gerichteten Luftangriff der Amerikaner in der ersten Kriegsnacht überlebt hat. Denn in einer später vom irakischen Fernsehen ausgestrahlten Ansprache des Präsidenten nimmt er auf einen Vorfall Bezug, der sich in den ersten Kriegstagen in der Nähe von Kerbela ereignet hatte. Dass es sich bei dem Mann, der vergangenen Freitag durch Mansur spaziert war, um den irakischen Präsidenten handelte, wird dagegen von einigen Beobachtern angezweifelt. Sie glauben, der fröhlich winkende Spaziergänger sei ein Saddam-Doppelgänger gewesen, der den Irakern beweisen sollte, dass ihr Präsident noch lebt.

Für die Amerikaner ist es derzeit wohl so gut wie unmöglich, herauszufinden, ob der irakische Präsident unter den Leichen ist, die irakische Rettungskräfte aus dem Bombenkrater in Mansur bergen. US-Militärsprecher Frank Thorp sagte, die Amerikaner hätten kurzfristige Informationen erhalten, dass in dem Gebäude ein Treffen der irakischen Führung stattgefunden habe. An der Stelle wurden vier Präzisionsbomben von jeweils fast einer Tonne abgeworfen.

Wo ist Saddams Leiche?

Saddam Hussein hat in seiner mehr als 20-jährigen Amtszeit so viele Attentats- und Putschversuche überlebt, dass die meisten Iraker die Nachricht von seinem Tod ohnehin erst dann glauben werden, wenn ihnen die Leiche präsentiert wird. Selbst die Nachricht vom Tod Ali Hassan el Madschids ist bislang nicht unwidersprochen. Zwar geht US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld davon aus, dass es sich bei der am Montag in der Nähe von Basra entdeckten Leiche um die Überreste des Saddam-Cousins handelt, der wegen der Giftgasangriffe auf irakische Kurden im Jahre 1988 berüchtigt ist.

Doch die arabische Zeitung «Al-Hayat» berichtet am Dienstag unter Berufung auf irakische Quellen, «Chemie-Ali» sei in den vergangenen Tagen 200 Kilometer nördlich von Basra damit beschäftigt gewesen, den Widerstand gegen die Alliierten in Nadschaf zu organisieren.

DPA
Anne-Beatrice Clasmann