Abdel Asis Rantissi galt als einer der größten Hardliner innerhalb der Hamas. Er lehnte jegliche Zugeständnisse gegenüber Israel kategorisch ab. Nur knapp vier Wochen stand er an der Spitze der palästinensischen Untergrundorganisation im Gazastreifen, ehe ihn am Samstag dasselbe Schicksal ereilte wie seinen Vorgänger, Hamas-Gründer Ahmed Scheich Jassin. Die Stelle, an der Rantissis Auto von israelischen Streitkräften in die Luft gesprengt wurde, ist nur knapp 100 Meter vom Grab Jassins entfernt.
Rantissi wusste, dass er auf der Todesliste Israels stand. Im Juni vorigen Jahres überlebte er noch einen Raketenangriff auf sein Auto mit Verletzungen. Auf die weiteren israelischen Drohungen reagierte er fast trotzig: "Wir müssen alle irgendwann sterben. Ob durch einen Apache-Hubschrauber oder einen Herzstillstand - ich würde den Apache vorziehen", sagte Rantissi Ende März, einen Tag, nachdem er zum Nachfolger Jassins bestimmt worden war.
"Es gibt kein Tabu, die Tore sind offen"
Nach der Ermordung Jassins am 22. März kündigte Rantissi eine weitere Eskalation der Gewalt an: "Es gibt kein Tabu, die Tore sind offen", sagte er dem "Spiegel". An eine Friedenslösung mit Israel glaubte er nicht mehr. "Meine Priorität ist es, die Palästinenser in den Schützengräben des Widerstands zu vereinen, denn es gibt niemanden mehr, der noch an irgendetwas wie einen Friedensprozess glaubt", sagte er kürzlich zu Journalisten.
Angesichts der Rückendeckung der USA für die umstrittenen Pläne des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon hatte Rantissi noch am Samstag kritisiert, Washington habe seine Glaubwürdigkeit verloren und alle menschlichen Werte über Bord geworfen. Die US-Regierung spreche zu Gunsten von "einem Haufen Krimineller" den Palästinensern das Recht auf Rückkehr in ihr Heimatland ab.
Rantissi gehörte 1987 zu Beginn des ersten Aufstands gegen die israelische Besetzung des Gazastreifens und Westjordanlandes zusammen mit Jassin und fünf weiteren Männern zu den Gründern der Hamas. Die Untergrundorganisation wurde mit den Jahren zur größten militanten islamischen Gruppe. Sie hat sich die Schaffung eines muslimischen Nahen Osten ohne den jüdischen Staat auf ihre Fahnen geschrieben. Zu Beginn der von ihr abgelehnten israelisch-palästinensischen Friedensgespräche Anfang der 90er Jahre begann die Hamas mit Selbstmordanschlägen in Israel. Seit Beginn der zweiten Intifada vor gut dreieinhalb Jahren fielen hunderte Israelis Anschlägen von Hamas-Mitgliedern zum Opfer.
Im Flüchtlingslager Chan Junis aufgewachsen
Rantissi wurde am 23. Oktober 1947 in Jibnah, der heutigen israelischen Ortschaft Javneh, geboren. Er war das vierte von zwölf Kindern. Als er sechs Monate alt war, floh seine Familie vor dem ersten Nahostkrieg, der nach der Staatsgründung Israels 1948 ausbrach. Endstation der Familie war das Flüchtlingslager Chan Junis im Süden des Gazastreifens.
Rantissi saß nach der Mitbegründung der Hamas mehrere Jahre in israelischer Haft. Er teilte vorübergehend seine Zelle mit Jassin. Während seiner Haftzeit bastelte der gelernte Kinderarzt ein Modell der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee aus leeren Milchkartons, Zigarettenschachteln und anderen Verpackungsresten. Das Modell fand später seinen Platz in Rantissis Wohnzimmer.
Im Jahr 1992 wurde Rantissi zusammen mit mehr als 400 weiteren militanten Islamisten von Israel vorübergehend ins Exil in den Süden Libanons ausgewiesen. Als Sprecher der Deportieren wurde Rantissi damals international bekannt. Zurück im Gazastreifen, ein Jahr später, wurde Rantissi mit seinem Bart und der goldumrandeten Brille rasch zu einem der bekanntesten Gesichter der Hamas, als deren Sprecher er fungierte.