Der russische Präsident Wladimir Putin hat die USA aufgefordert, ihre Pläne zum Ausstieg aus dem ABM-Vertrag aufzugeben, der eine Begrenzung der Raketenabwehrsysteme vorsieht. Eine Aufgabe des Vertrags würde auch die START-I- und START-II-Verträge über die Begrenzung der Kernwaffen zu Makulatur werden lassen, warnte Putin am Montag in Moskau bei einem Interview mit amerikanischen Journalisten.
Putin sagte, bei seinem ersten Treffen mit US-Präsident George W. Bush am vergangenen Wochenende in Slowenien sei ein »sehr hohes Niveau« an beiderseitigem Vertrauen zu Stande gekommen. In Bezug auf Gefahren für die Sicherheit sei man sich jedoch uneins.
Amerikanische Befürchtungen beschwichtigt
Er wandte sich gegen amerikanische Befürchtungen, dass sogenannte Schurkenstaaten wie das kommunistische Nordkorea zu einer Bedrohung werden könnten. Der Präsident versicherte, Iran erhalte von Russland keine Waffen geliefert, die von den
USA oder Israel als Bedrohung empfunden werden könnten. Russland gebe im eigenen Interesse keine Atomraketentechnologie an andere Länder weiter.
Putin sagte, Spezialisten seien mit einer Analyse der möglichen Bedrohungen beauftragt worden. Er hob aber hervor, dass Russland in dieser Frage nicht der Ansicht der USA sei. »Hier haben wir keine gemeinsame Position«, sagte er.
Sorge um hektisches Wettrüsten
Putin erklärte, Russland werde notfalls seine Atomrüstung verstärken. Seine eigentliche Sorge aber sei, dass einseitige amerikanische Aktionen in Bezug auf die Verträge ein hektisches und unkontrolliertes Wettrüsten in den sogenannten Atomwaffen-Schwellenländern in der Nachbarschaft Russlands hervorrufen könnte. Die USA sprächen viel über diese Besorgnis, »aber für uns existiert sie real«, sagte er.
Putin bekräftigte die russische Ansicht, dass ein umfassendes Raketenabwehrsystem technisch gar nicht machbar sei. Es sei, als solle ein Geschoss ein anderes Geschoss treffen.
Er lobte, mit Bush könne man sich gut unterhalten. Bush sei sehr kritisch und analytisch. »Wir sind zufrieden mit der Art von Partner, den wir in Präsident Bush haben. Ich halte das Niveau an Vertrauen für das Wichtigste, was wir bei unserem Treffen erzielt haben.«
Zum Thema Tschetschenien sagte Putin, er sei es allmählich müde, immer wieder Russlands Position zu wiederholen. Man müsse töricht sein, wenn man die Handlungsweise Moskaus nicht verstehe.