Afghanistan-Konferenz in London Alliierte wollen die Verantwortung loswerden

Die künftige Strategie der Alliierten steht: Auf ihrer Konferenz in London beschloss die Staatengemeinschaft, die Verantwortung für die Sicherheit am Hindukusch schrittweise an afghanische Einsatzkräfte zu übergeben. Dafür soll Präsident Hamid Karsai strenger kontrolliert werden.

Die internationale Gemeinschaft bereitet den Boden für einen Rückzug ihrer Truppen aus Afghanistan. Auf der Londoner Konferenz am Donnerstag wurde beschlossen, den Afghanen die Verantwortung für die Sicherheit im Land schrittweise zu übergeben. Der Gastgeber der Konferenz, der britische Premierminister Gordon Brown, kündigte an, noch in diesem Jahr mit der Übergabe befriedeter Distrikte in afghanische Verantwortung zu beginnen. Ab 2014 soll Afghanistan selbst für seine Sicherheit sorgen.

Darüber hinaus beschlossen die Konferenz-Teilnehmer, dass die Hälfte der internationalen Aufbauhilfe für Afghanistan künftig in den afghanischen Staatshaushalt fließen soll und erst von dort weiter verteilt wird. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung der internationalen Afghanistan-Konferenz am Donnerstag in London hervor, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Bislang wird der weitaus größte Teil der Hilfsgelder von den Geberstaaten direkt oder über von ihnen ausgewählte Nichtregierungsorganisationen vergeben.

Aus Konferenzkreisen hieß es dazu, die Maßnahme solle den Rückhalt für die afghanische Regierung in der Gesellschaft des Landes stärken. Zudem sei es oft kostengünstiger und damit effizienter, wenn Hilfsmaßnahmen in afghanischer Regie statt unter internationaler Beteiligung umgesetzt würden.

Brown setzt auf Afghanisierung

Im Gegenzug wird Afghanistans Präsident Hamid Karsai, dessen Ruf nach der manipulierten Präsidentenwahl 2009 angekratzt ist, stärker in die Pflicht genommen. So soll er sich insbesondere bei den Themen Korruption oder Rechte für Frauen mehr anstrengen.

Mit Blick auf die künftige Militärstrategie der Alliierten sprach Gastgeber Brown von einer Strategie der "Afghanisierung": "In dem Maße, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte stärker werden, können wir die Verantwortung für die Sicherheit übergeben, und unsere Truppen können nach Hause gehen." Bis Mitte des nächsten Jahres müsse die Wende hin zu mehr Eigenverantwortung für die Afghanen vollbracht sein. Der Kommandeur der internationalen Schutztruppe Isaf, Stanley McChrystal, ging nach Angaben aus Teilnehmerkreisen von einer Wende schon ab September aus.

Afghanistan fehlt Geld für die Streitkräfte

Der afghanische Präsident bekräftigte seine Zusage, dass die einheimischen Sicherheitskräfte bis 2014 in der Lage sein werden, die Verantwortung für das Land zu übernehmen. Allerdings nannte er einen Zeitrahmen von 15 Jahren für die Präsenz ausländischer Truppen, da seinem Land noch die Mittel für die Finanzierung von Streitkräften und Polizei fehlten. Karsai sprach sich erneut für einen innergesellschaftlichen Versöhnungsprozess aus. Man reiche all jenen Aufständischen die Hand, die der Gewalt abschwören, nicht zu al Kaida gehören und die Verfassung achten. Im Abschlussdokument unterstützten die internationalen Teilnehmer diesen Ansatz zur Wiedereingliederung moderater Taliban.

Westerwelle: "Vielleicht ist es der Wendepunkt"

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte: "Wir wollen, dass junge Männer, die nicht Ideologen und fundamentalistische Terroristen sind, eine Chance bekommen, in die afghanische Gesellschaft zurückzukehren." Den Mitläufern müsse man eine Brücke bauen, damit sie eine wirtschaftliche Zukunft unabhängig von den Taliban bekämen. Der Fonds soll 350 Millionen Euro umfassen. Deutschland will insgesamt 50 Millionen Euro über fünf Jahre beisteuern. Außerdem plant die Bundesregierung, das Bundeswehrkontingent von jetzt 4500 Soldaten um maximal 850 aufzustocken. Allein 1.400 Soldaten sollen sich künftig der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte widmen. Die schnelle Eingreiftruppe soll aufgelöst werden. Die Polizeiausbilder sollen von jetzt 123 auf 200 bis Ende des Jahres aufgestockt werden. Insgesamt wertete Westerwelle die Konferenz in London als " wirklich wichtige Weichenstellung, vielleicht ist es der Wendepunkt".

Reuters
APN/Reuters/AFP