Anti-Putin-Proteste in Russland Inhaftierte Pussy-Riot-Mitglieder treten in Hungerstreik

In einem Käfig vor Gericht führt die russische Justiz drei Punkrockerinnen vor, weil sie in einer Kirche gegen Kremlchef Putin protestiert haben. Die Frauen sitzen seit gut vier Monaten in Untersuchungshaft - ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft.

Erst Punkrock gegen Kremlchef Wladimir Putin, nun Hungerstreik im Gefängnis: Aus Protest gegen Justizwillkür in Russland wollen die Putin-Gegnerinnen Nadeschda Tolokonnikowa (22), Jekaterina Samuzewitsch (29) und Maria Aljochina (24) keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Dies teilten die Mitglieder der Frauenpunkband Pussy Riot am Mittwoch mit. Die Frauen hatten im Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau laut für ein Ende von Putins Dauerherrschaft gebetet. Seit mehr als vier Monaten sitzen sie in Untersuchungshaft. Die Anklage: Rowdytum.

Tolokonnikowa sagte bei einer Voranhörung im Gericht des Moskauer Taganski-Bezirks, der Beschluss, der Verteidigung bei einer so umfangreichen Prozessakte nur fünf Tage Vorbereitungszeit einzuräumen, sei "gesetzeswidrig". Dem Gericht gehe es nur darum, die Verhandlung wegen der großen öffentlichen Unterstützung für die Angeklagten zu beschleunigen, sagte die Musikerin, die bei der Anhörung ein T-Shirt mit dem spanischen Protest-Slogan "No pasarán" (sie werden nicht durchkommen) trug. Ihre ebenfalls angeklagten Bandkolleginnen Jekaterina Samuzewitsch und Maria Alechina schlossen sich dem Hungerstreik an.

Zuvor hatte der Vorsitzende des Tribunals erklärt, fünf Tage seien "ausreichend, um die Dokumente zu lesen". Anwalt Mark Feigin sagte, die Prozessunterlagen umfassten mehr als 2800 Seiten, elektronische Beweise nicht eingerechnet. Deshalb hatte die Verteidigung ursprünglich gefordert, dass der Prozess nicht vor dem 1. September beginnen solle. Feigins Kollege Nikolai Polosow sprach von einer "Rückkehr zu den Stalin-Prozessen".

Putin-Anhänger fordern Freilassung

Den drei Frauen, von denen zwei Kinder haben, wird "organisiertes Rowdytum" vorgeworfen, wofür eine Strafe von bis zu sieben Jahren Haft vorgesehen ist. Die Gruppe hatte zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl für Aufsehen gesorgt, als sie auf dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale, der wichtigsten russisch-orthodoxen Kirche, ein "Punk-Gebet" sprachen, um die engen Beziehungen der Orthodoxen Kirche zum damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin anzuprangern. In einem Lied forderten sie die Amtsenthebung Putins, der inzwischen wieder russischer Präsident ist.

Der Fall der Band Pussy Riot polarisiert im teilweise sehr religiösen Russland. Mehr als hundert namhafte russische Künstler, darunter auch Putin-Anhänger, hatten Ende Juni in einem Protestbrief die Freilassung der Musikerinnen verlangt. Vor dem Justizgebäude kam am es Mittwoch wie bereits bei früheren Verhandlungen zu Ausschreitungen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, wurde etwa ein Dutzend Unterstützer der Bandmitglieder festgenommen.

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ivi/jwi/AFP/DPA