Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) rang in Wien um eine Iran-kritische Resolution. Die Teilnehmer der auf Antrag der EU einberufenen Krisensitzung bemühten sich aber zunächst vergeblich um einen Kompromisstext, dem vor allem die blockfreien Mitgliedstaaten der Atombehörde zustimmen können. Westliche Diplomaten gehen davon aus, dass sich der Gouverneursrat voraussichtlich erst an diesem Donnerstag auf eine gemeinsame Erklärung einigen wird.
Aufruf zur Vernunft
Der iranische Chefdelegierte bei der IAEO, Sirus Nasseri, gab am Abend bekannt, dass die Uranumwandlungsanlage am Mittwoch vollständig in Betrieb genommen wird. Der neue Präsident Mahmud Ahmadinedschad kündigte derweil in Teheran an, er werde nach der Bildung seiner Regierung in etwa zwei Wochen "neue Vorschläge und Initiativen" vorlegen. Iran hatte Teile der Anlage in Isfahan reaktiviert und damit die Verhandlungen über das Atomprogramm mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien gefährdet.
Der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, rief Teheran zum Einlenken auf. Iran müsse die Entscheidung zur Aktivierung der Uranumwandlungsanlage bei Isfahan revidieren. "Sonst landen wir am Ende unweigerlich in New York - vor dem UN- Sicherheitsrat", sagte Solana der "Süddeutschen Zeitung".
Diplomatie vor UN-Sicherheitsrat
US-Präsident George W. Bush appellierte an die EU, alles zu tun, um Iran auf diplomatischem Weg davon abzubringen, Nuklearwaffen zu entwickeln. Er gratuliere den Europäern "zu ihrer Stärke und dazu, dass sie mit einer Stimme sprechen". Der Gang zum UN-Sicherheitsrat sei sicher eine Option, wenn Iran nicht einlenke, sagte der Präsident in seinem Heimatort Crawford in Texas.
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erhob zugleich neue Vorwürfe gegen die Führung in Teheran. Er beschuldigte sie, die Lieferung moderner Sprengsätze aus Iran an die Aufständischen im Irak zuzulassen. Rumsfeld bestätigte einen Bericht der "New York Times", nach dem die Sprengsätze, mit denen amerikanische und irakische Streitkräfte im Irak angegriffen werden, aus Iran stammen.
Die US-Regierung forderte Iran zudem zur unverzüglichen Freilassung des Journalisten Akbar Gandschi auf, der sich seit acht Wochen in einem Hungerstreik befindet. Es entlarve den Charakter des Regimes, dass es einen Mann mit der Integrität und moralischen Größe wie Gandschi nicht nur im Gefängnis halte, sondern auch "unmenschlicher Behandlung aussetzt", sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums.