Augenzeugen der Jakarta-Anschläge "Die Lobby sah aus wie im Krieg"

Menschen mit blutverschmierten Gesichtern stürzen in Panik auf die Straße, Augenzeugen berichten von Verwüstung wie im Krieg - Indonesien steht nach den Bombenanschlägen auf zwei Luxushotels in Jakarta unter Schock. Sie galten als die am besten geschützten Hotels eines Landes, das hoffte, den Terror im Griff zu haben.

Terroristen haben in Jakarta Bombenanschläge auf zwei Luxushotels verübt und mindestens neun Menschen ermordet. Mehr als 40 wurden teils schwer verletzt, sagte ein Polizeisprecher in Jakarta. Unter den Toten waren vier Ausländer. Nach ersten Erkenntnissen waren keine EU-Bürger darunter. Die Sprengsätze detonierten zur Frühstückszeit im Abstand von wenigen Minuten im Ritz Carlton und im JW Marriott-Hotel im Geschäftsviertel der Millionenmetropole.

"Es sah in der Lobby wie im Krieg aus", berichtete der Politologe Ikrar Nusa Bakti, der im 9. Stock des Marriott wohnte. Menschen mit blutverschmierten Gesichtern seien in Panik aus dem Gebäude gerannt. "Es gab im Hotel keinen Alarm und keine Informationen", sagte er im Fernsehen. "Ich habe in einem Restaurant in der Nähe gefrühstückt, als ich einen wahnsinnigen Knall hörte", berichtete Augenzeuge Intan. "Dann kamen mehrere Ausländer überall mit Blut bedeckt aus dem Hotel gelaufen." Die Fassade des Ritz Carlton war weitgehend zerstört. Aus den Wänden ragten abgerissene Rohre. Teppichfetzen hingen hinaus, und weiße Gardinen flatterten im Wind. Über dem Stadtviertel stand dicker Rauch.

Indonesien

Indonesien ist mit 17.000 Inseln der größte Inselstaat der Erde. In der Republik in Südostasien leben mehr als 240 Millionen Menschen. Die Einwohnerzahl der Hauptstadt Jakarta wird auf zehn Millionen geschätzt, im Großraum Jakarta leben etwa 23 Millionen Menschen. Indonesien ist der Bevölkerung nach das viertgrößte Land der Welt. Es stand mehr als 300 Jahre unter niederländischer Kolonialherrschaft. In den 60er Jahren kam General Suharto an die Macht, der das Land mit harter Hand bis 1998 regierte, jetzt ist es eine Demokratie. Etwa 88 Prozent der Bevölkerung, also gut 210 Millionen Menschen und damit so viele wie in keinem anderen Land der Erde, sind Muslime. Der überwiegende Teil folgt einer gemäßigten Richtung des Islam. Es gab aber mehrfach Anschläge radikaler Gruppen. Trotz vieler Bodenschätze wie Öl und Gas ist die Republik wirtschaftlich noch relativ rückständig. Etwa die Hälfte der Einwohner muss mit weniger als umgerechnet zwei US-Dollar pro Tag auskommen.

Die beiden Hotels liegen im Nobelviertel Kuningan, wo auch viele Botschaften sind. Sie galten bislang als die am besten geschützten Hotels im Land. Im Marriott waren die Sicherheitsvorkehrungen seit dem Anschlag 2003, als zwölf Menschen starben, besonders scharf. In jedem Hotel in Indonesien werden Autos an der Auffahrt kontrolliert und Gäste müssen durch Schleusen mit Metalldetektoren gehen. Allerdings werden die Taschen von Gästen, die mehrere Tage im selben Hotel wohnen, später oft nicht mehr untersucht.

Aus dem Marriott-Hotel wurden sechs Leichen geborgen und aus dem Ritz Carlton nebenan zwei. Ein Opfer starb später im Krankenhaus. Unter den Toten waren vier Ausländer. Die beiden Hotels sind unterirdisch durch einen Tunnel verbunden. Die Polizei entschärfte später in einem Zimmer des Marriotts einen nicht detonierten Sprengsatz. Nach Polizeiangaben wurde dort in einem Restaurant eine zerfetzte Leiche geborgen, die auf einen Selbstmordattentäter hinweisen könnte.

Terrorist tarnte sich als Hotelgast

Erste Ermittlungen ergaben, dass sich einer der mutmaßlichen Attentäter als Hotelgast ausgegeben hat und so Zutritt zum Marriott-Hotel erlangte. Polizeichef Wahyono sagte, dass der Selbstmordattentäter so in das Café des Hotels gelangt sei, wo er eine mitgebrachte Bombe zündete.

Der erst vor zwei Wochen im Amt bestätigte Präsident Susilo Bambang Yudhoyono verurteilte die Anschläge auf das schärfste. "Das war die Tat einer Terror-Organisation", sagte er. "Die, die dafür verantwortlich sind, werden verfolgt, verhaftet und verurteilt werden." Auch Australien und die EU verurteilten die Anschläge umgehend. Die Europäische Union stehe "solidarisch an der Seite der indonesischen Regierung und der Menschen in Indonesien in dieser äußerst schweren Zeit", hieß es am Donnerstag in einer Erklärung der schwedischen Ratspräsidentschaft in Stockholm.

Jemaah Islamiyah als Drahtzieher

"Die einzige Gruppe, die die Fähigkeit zu solchen Anschlägen hat, ist Jemaah Islamiyah", sagte der Terrorismusexperte Rohan Gunaratna dem Sender "Channel News Asia". "Sie verüben oft zwei Anschläge gleichzeitig und nehmen Ziele mit Ausländern ins Visier." Die Anschläge könnten ein Racheakt für die Hinrichtung der Bali-Bomber im vergangenen November sein, meinte er.

Nach Einschätzung eines australischen Sicherheitsexperten waren die Anschläge nur eine Frage der Zeit. Ein harter Kern von Mitgliedern der Jemaah Islamiyah (JI) sei desillusioniert gewesen und habe seit längerem spektakuläre Aktionen geplant, sagte der Direktor des Instituts für Strategische Politik, Carl Ungerer. "Es gab in den vergangenen Monaten Anzeichen, dass diese Hardliner innerhalb der Jemaah Islamiyah unzufrieden waren, weil in den letzten Jahren keine Anschläge mehr verübt wurden und es war klar, dass sie etwas tun wollten", sagte er dem australischen Rundfunk. "Nicht alle Mitglieder der Organisation sind einverstanden mit den Anschlägen", sagte auch der indonesische Analyst Noor Huda Ismail im Fernsehen. "Die Hardliner wollen zeigen, dass sie in der Lage sind, alle Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen."

Der britische Fußballclub Manchester United sagte ein Freundschaftsspiel in Jakarta ab. Die Mannschaft wollte an diesem Wochenende im Ritz-Carlton-Hotel absteigen. "Wir sind schwer enttäuscht, dass wir Indonesien nicht besuchen können", hieß es auf der Webseite des Vereins. "Wir gedenken der Opfer der Anschläge."

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DPA/AFP