Bin-Laden-Ermittlungen Spott für Spaniens Star-Richter

Baltasar Garzón lässt sich durch die Kritik nicht beirren. Er war schon belächelt worden, als er die Festnahme des Ex-Diktators Augusto Pinochet in London erwirkte. Nun will der spanische Richter es mit keinem geringeren als Osama bin Laden aufnehmen.

Er kennt keine Angst vor großen Namen und gefährlichen Verbrechern. Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón ermittelt gegen Ex-Diktatoren in Lateinamerika, gegen baskische ETA-Terroristen oder gegen Mafiabosse. Nun will der 47- jährige Jurist es mit keinem geringeren als Osama bin Laden aufnehmen, dem öffentlichen Feind Nummer 1 der westliche Welt. Er möchte den Chef des Terrornetzwerks El Kaida wegen der Anschläge vom 11. September 2001 in Spanien vor Gericht stellen.

Bei seinen Landsleuten stieß Garzón mit seinem Vorhaben auf Unglauben, und er erntete teilweise sogar unverhohlenen Spott. "Zuerst ermittelt er gegen Bin Laden und dann gegen den Hurrikan Isabel", witzelte die Zeitung "El Mundo". Das Blatt "ABC" argwöhnt, der Richter werde demnächst sein Debüt als "Gespensterjäger" geben. "La Voz de Galicia" sieht Garzón als "einsamen Ritter im Kampf gegen das Reich des Bösen" und gibt zu bedenken: "Die USA konnten mit ihren Heerscharen von Geheimagenten nicht einmal feststellen, ob Bin Laden am Leben ist. Was wollen wir Spanier da mit einem Gerichtsverfahren ausrichten?"

Immun gegen Kritik

Garzón lässt sich durch die Kritik nicht beirren. Er war schon belächelt worden, als er vor knapp fünf Jahren die Festnahme des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet in London erwirkte. Viel hatte damals nicht gefehlt, und der Richter hätte die Auslieferung des Generals an Spanien erreicht. Unter Hinweis auf Pinochets Alter und die angeschlagene Gesundheit ließen die Briten den Ex-Militärherrscher 16 Monate später nach Chile zurückkehren.

Im Fall Pinochet erreichte Garzón zwar nicht sein Ziel, aber ihm gelang ein durchschlagender Erfolg. Er sorgte dafür, dass die Justiz in Chile - und später auch in Argentinien - nun gegen die früheren Militärherrscher und deren Folterknechte vorgeht. Zugleich fachte er die politische Debatte über die Notwendigkeit eines internationalen Gerichtshofs neu an. Lateinamerikanische Menschenrechtler schlugen den Richter als Kandidaten für den Friedensnobelpreis vor.

Der Weltruhm scheint Garzón nun zu Kopfe gestiegen zu sein. Die Fälle der Ex-Diktatoren in Lateinamerika sind nämlich, wie "El Mundo" schreibt, mit dem Bin Ladens nicht vergleichbar: "Es ist gerechtfertigt, ausländische Straftäter in Spanien vor Gericht zu stellen, wenn das im Land des Verbrechens nicht möglich ist. Dies war in Chile und Argentinien der Fall. Aber hat jemand den geringsten Zweifel daran, dass die USA die Terroristen des 11. Septembers zur Rechenschaft ziehen wollen?"

"Justiziar des Weltgewissens"

Garzón wird - bei allem Ansehen, das er sich als "Justiziar des Weltgewissens" ("Süddeutsche Zeitung") erworben hat - eine Schwäche nachgesagt. Er neige, so heißt es, zu Eitelkeit und Selbstdarstellung. Mit seinem grau melierten Haar, der randlosen Brille und den feinen Maßanzügen kommt er fast wie ein Dressman daher. "El País" umschrieb die Starallüren des Bauernsohns aus Andalusien einmal so: "Sein Selbstbewusstsein ist derart überzogen, dass ihm das Ego aus allen Poren herausquillt - sogar auf Fotografien."

DPA
Hubert Kahl