Bizarrer Streit in Arizona Wem gehört der Grand Canyon?

  • von Nina Rehfeld
Niemand mag Washington, am wenigsten die US-Republikaner. Nun versuchen die Konservativen in Arizona mit einer absurden Initiative, die Kontrolle über den Grand Canyon zu bekommen.

Ende des 19. Jahrhunderts konnte man im Grand Canyon nicht mal kostenlos aufs Klo gehen. Ralph Cameron kassierte Toilettengebühren von Urlaubern, verkaufte ihnen Wasser zu Wucherpreisen, ließ sie Wege über öffentliches Gelände nur nach Zahlung einer Maut benutzen. Der spätere US-Senator besaß Schürfrechte entlang des Bright-Angel-Wanderpfads, einen Teil des Canyons in Arizona betrachtete er daher als sein Land - bis ihm die Bundesregierung das Treiben verbot.

Der Streit aber ist nun erneut aufgebrochen: Wem untersteht eigentlich der Grand Canyon? Im 100. Jahr seines Beitritts zu den USA will Arizona wieder unabhängiger von der Zentralregierung werden und den Nationalpark übernehmen. Bei der Präsidentschaftswahl am Dienstag sind Arizonas Bürger aufgerufen, über Proposition 120 abzustimmen. Darin reklamiert ihr Bundesstaat alleinige Kontrolle über sämtliche natürliche Ressourcen inklusive Land, Luft, Wasser, Mineralien, Flora und Fauna auf seinem Gebiet. Ausgenommen bleiben Indianerreservate und Armeestützpunkte.

Der Bund kontrolliert bis zu 40 Prozent des Gebiets

Konservative Politiker wollen die Hoheitsrechte erstreiten, um die Staatskasse zu füllen - etwa durch Verpachtung bisher geschützter Gebiete an Viehzüchter, Holzkonzerne oder Bergbaufirmen. "Wir können nicht genügend Arbeitsplätze für unsere Bürger schaffen, weil der Bund unser Land kontrolliert", sagt Sylvia Allen, Republikanerin im Senat von Arizona. Neben dem Grand Canyon verwaltet das US-Innenministerium dort zwei weitere Nationalparks sowie 18 sogenannte National Monuments, das Landwirtschaftsministerium sechs Nationalforste. Insgesamt kontrolliert der Bund nach Berechnungen der Naturschützer des Sierra Clubs etwa 35 bis 40 Prozent der Ländereien Arizonas.

Die Regierungskritiker würden darauf nicht nur gerne Tiere grasen oder nach Rohstoffen graben lassen. Ein Argument gegen den Bund ist wie so oft: die Bürokratie. So soll die Mitsprache Washingtons beim Holzeinschlag Waldbrände begünstigen. "Wir hatten eine blühende Holzindustrie in den 70ern und 80ern", sagt der republikanische Kongressabgeordnete Chester Crandell. Dann klagten Umweltgruppen, der Einschlag auf bundeseigenem Land wurde verboten, die Wälder wucherten zu - ein Fest für die Flammen. Senatorin Allen meint: "Die Einmischung des Bundes hindert Arizona, das Wohl, die Gesundheit und Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten."

"Wie will die 100.000 Quadratkilometer managen?"

Ob das Land auf sich gestellt aber alles besser machen würde, scheint fraglich. "Arizona hat ja nicht mal genügend Mittel, um seine eigenen Parks ordentlich zu betreiben", sagt Susan Behr vom Sierra Club, "wie man da zusätzlich mehr als 100.000 Quadratkilometer managen will, ist völlig unklar". Zumal die Besucherströme zum Grand Canyon wohl versiegen dürften, sollten Teile der Schlucht etwa in eine Uranmine verwandelt werden. Weg wären die Touristen-Dollar und Jobs.

Viele Bürger sorgen sich bereits um ihre spektakulären Erholungsgebiete. Ein Leser des "Daily Courier" in Prescott warnte vor den "vielen Schildern an künftigen Zäunen, die Jagen, Campen und Angeln verbieten". Die Arizona Wilderness Coalition klagt: "Der Gesetzgeber will unsere Freiheiten an egal wen verkaufen aus egal welchem Grund." Und auch von einem "Haushaltsdesaster" sprechen die Naturschützer. Denn verwaltet Arizona alle Ländereien, müssen die Steuerzahler für deren Unterhalt aufkommen, bis Pächter gefunden sind - oder nicht.

"Der Wilde Westen ist verrückter als gedacht"

Die Skepsis gegenüber der Landesregierung kommt nicht von ungefähr: Arizona hat sich bereits 2009 mit kurzsichtiger Politik blamiert. Damals verkaufte der Bundesstaat aus akuter Geldnot sein Kapitol und andere öffentliche Gebäude in Phoenix für 735 Millionen Dollar an eine Immobilienfirma, die sie dem Parlament zur Nutzung verpachtete. Und mit dem Einwanderungsgesetz von 2010 löste man sogar international Empörung aus. Es gab der Polizei weitreichende Rechte bei der Kontrolle vermeintlich illegaler Einwanderer. Das Oberste Gericht der USA hat das Gesetz im Juni 2012 in drei Punkten für verfassungswidrig erklärt - weil es unzulässig in Bundeskompetenzen eingreift.

Arizonas Republikaner lassen sich von dieser erfolglosen Rebellion nicht entmutigen. Auch nicht davon, dass Proposition 120 wohl ebenfalls gegen Bundesrecht verstößt, weil ein Bundesstaat keine nationalen Gesetze annullieren kann. Ein Kolumnist in der Studentenzeitung der Arizona State University formuliert es so: "Unsere Abgeordneten zeigen dem Rest des Landes ihre glänzenden Knarren. Um die Leute daran zu erinnern, dass der Wilde Westen noch viel verrückter ist, als sie dachten."

FTD

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