Bombardierungskampagne Der Krieg begann anders als geplant

Nicht nur die «Sofa-Strategen» wurden von dem frühen, aber verhaltenen Kriegsbeginn überrascht. Stunden davor gab es keine Anzeichen, dass das Pentagon von seinem Plan abweichen würde, den Angriff mit massiven Luftangriffen zu eröffnen.

Monatelang haben die US-Militärstrategen über den Kriegsplänen gebrütet. Mit gezielten Informationen versorgt analysierten, kommentierten und kritisierten ganze Heerscharen pensionierter Generäle die amerikanischen Pläne - heftigste Luftangriffe, die das irakische Regime im Mark erschüttern sollten, verbunden mit einem kurz darauf folgenden Bodenvormarsch. Doch dann begann der Krieg ganz anders als geplant.

US-Präsident George W. Bush entschloss sich erst im letzten Moment für den frühen Start. Da waren die schweren Bomber noch gar nicht einsatzbereit. Bush setzte Marschflugkörper in Bewegung, die ganz gezielt bestimmte Gebäude in Bagdad zerstören sollten. Die US- Regierung sah plötzlich eine Chance, die irakische Führung mit einem Schlag vernichten zu können. Damit rückte nach Washingtoner Kalkül ein Einmarsch ohne Widerstand in Bagdad in greifbare Nähe. «Der Feuereinsatz war bislang verhalten, weil weiter versucht wird, das irakische Militär zur Kapitulation zu bewegen», analysierte der pensionierte General Barry McCaffrey noch am Freitag im US-Fernsehen.

Explosionen im Sekundentakt

Doch Stunden später ging es los. In Bagdad donnerten die Explosionen im Sekundentakt, über der Stadt standen am Abend riesige Rauchwolken. Noch am Vortag hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bestätigt, dass die Drähte heiß liefen, auch zur Republikanischen Garde, der loyalsten Truppe Saddams. «Die Kontakte zu den irakischen Truppen laufen auf allen möglichen Ebenen, öffentlich und vertraulich. (Die Botschaft ist), sie können ehrenhaft handeln und ihre Waffen niederlegen und ihnen passiert dann nichts.» Offensichtlich hatten die Gespräche bis Freitagabend nicht das von den Amerikanern gewünschte Ergebnis gebracht.

Nicht nur die «Sofa-Strategen» wurden zunächst von dem frühen, aber verhaltenen Kriegsbeginn überrascht. «Der Krieg fing an, und sie vergaßen, uns Bescheid zu sagen», meinte ein Pilot an Bord des Flugzeugträgers «Abraham Lincoln» im Persischen Golf.

«Schock- und Einschüchterungsphase»

Bis Stunden vor Kriegsbeginn am Mittwoch gab es keine Anzeichen, dass das Pentagon von seinem Plan abweichen würde, den Krieg mit massiven Luftangriffen zu eröffnen. Nach dieser «Schock- und Einschüchterungsphase» (shock and awe), wie es im Pentagon-Jargon heißt, sollten die Bodentruppen aus Kuwait einmarschieren. Und dann kam alles anders.

Kriegspläne seien dazu da, umgestoßen zu werden, sagte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nach dem ersten Angriff. «Sobald die Sache losgeht, muss man die Realitäten berücksichtigen, die man vorfindet.» Flexibilität sei der Schlüssel zum Sieg, meinte Generalstabschef Richard Myers.

Geheimdienstdirektor George Tenet hatte den «Kriegsrat» im Weißen Haus am Mittwoch völlig überraschend mit der Nachricht elektrisiert, er habe zuverlässige Hinweise, wo der irakische Machthaber Saddam Hussein die Nacht verbringe. Diese einmalige Gelegenheit, den Staatschef gleich mit dem ersten Schlag auszuschalten, solle man sich nicht entgehen lassen.

Startbefehl um 01.12 Uhr MEZ

Bush zögerte zunächst und gab den Startbefehl für die Marschflugkörper schließlich um 01.12 Uhr MEZ, fast 50 Minuten vor Ablauf des Ultimatums an Saddam Hussein und drei Minuten vor dem Ende des Zeitrahmens, den das Militär dem Präsidenten zur Eröffnung des Angriffs genannt hatte. Hastig wurde die vorbereitete Präsidentenrede aktualisiert, und Präsident Bush verkündete wenig später und unplanmäßig den Beginn des Krieges.

Als erste Berichte über brennende Ölquellen im Südirak die Runde machten, gab es auch für die Bodentruppen kein Halten mehr. Der Vormarsch wurde überraschend angeordnet, wie Reporter berichten, die mit den Einheiten unterwegs sind. «Nichts geht jemals nach Plan», meinte Oberst Larry Brown von der 1. Marineinfanterie-Division in Nordkuwait lakonisch.

DPA
Christiane Oelrich