Ukraine-Krieg Budapester Memorandum: Russland hält sich nicht an Verträge

Wie Russland der Ukraine einst versprach, deren Grenzen zu respektieren.

Hat der Westen sein Versprechen gebrochen, die Nato nie gen Osten auszudehnen? Seit Jahren wird die Regierung Russlands nicht müde, genau das behaupten. Allerdings hat es diese Zusage nie gegeben. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wurden sogar Überlegungen angestellt, den Nato-Bereich nicht zu erweitern, etwa 1990 durch die damaligen Außenminister James Baker und Hand-Dietrich Genscher, doch schnell wieder von den Regierungschefs kassiert. Deswegen ist nichts dergleichen schriftlich dokumentiert. Anders übrigens, als die Zusicherung Russlands, die "Souveränität der Ukraine und ihrer Grenzen zu respektieren".

Dieser Passus findet sich im "Budapester Memorandum", das am 5. Dezember 1994 in der ungarischen Hauptstadt von den Atommächten Russland, Großbritannien und den USA unterzeichnet wurde. Die Vereinbarung war Vorbedingung für Abrüstungsverhandlungen, die ein Jahr später im erneuerten Atomwaffensperrvertrag mündeten. Grob zusammengefasst verpflichteten sich die drei Großmächte in dem Memorandum die damals neu entstandenen Staaten Ukraine, Belarus und Kasachstan anzuerkennen – im Gegenzug verzichteten die auf Nuklearwaffen.

Die drei ehemaligen Sowjetrepubliken waren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sozusagen über Nacht zu Atommächten geworden. Auf ihren Territorien war ein nicht geringer Teil des sowjetischen Kernwaffenarsenals stationiert, allein die Ukraine verfügte nach ihrer Unabhängigkeit 1991 plötzlich über die weltweit drittgrößte Menge an Atombomben. In Budapest vereinbarten die Staaten, dass sie die Massenvernichtungswaffen an Russland zurückgeben und dafür künftig die Integrität ihrer Grenzen geachtet wird. Auch Frankreich und China gaben damals Sicherheitsgarantien ab.

Das Memorandum gilt immer noch, allerdings ist völkerrechtlich umstritten in welcher Form es überhaupt bindend ist. Die Amerikaner etwa betrachten die Vereinbarung lediglich als "Willenserklärung", haben sich aber bislang daran gehalten. Anders Russland. Das Land habe mit der Annexion der Krim 2014 das "Budapester Memorandum eklatant verletzt", schreiben die Experten für internationale Beziehungen, Lee Feinstein und Mariana Budjeryn. Russland warf damals den USA ebenfalls einen Bruch des Memorandums vor, da sie die Euromaidan-Protestbewegung in Kiew unterstützt hätten, sowie die russlandfreundliche Regierung sanktionieren wollte.

Spätestens seit 2014 ist allen Beteiligten klar, dass es keine Mittel gibt, das Budapester Memorandum durchzusetzen. Dieser Umstand allerdings führt zu einem weiteren Problem: Wenn sich eine Seite nicht an das Abkommen gebunden fühlt, was hält sie dann noch davon ab, gegen das Wesen der Abmachung zu verstoßen: die nukleare Aufrüstung. Nach Putins feindlicher Übernahme der Krim-Halbinsel wurde in der Ukraine diskutiert, ob es ein Fehler gewesen sei, die Kernwaffen 1994 abzugeben.

Im Hinblick auf die von Russland geforderten "bindenden" Sicherheitsgarantien durch den Westen erhöht der offene Bruch des Budapester Memorandums nicht unbedingt das Vertrauen in die Vertragstreue der Regierung in Moskau.