China gegen Japan Eine Inselgruppe spaltet zwei Nationen

  • von Xifan Yang
China und Japan streiten um eine Inselgruppe, die zahlreichen Proteste arten in Gewalt aus. Parteien und Organisationen hetzen und stacheln die Bevölkerung auf. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Chinas Patriotismus zeigt sich in diesen Tagen von seiner hässlichsten Seite. Zehntausende Menschen gingen am Wochenende gegen Japan auf die Straße, in vielen Städten eskalierten die Proteste in Gewalt: Japanische Autos wurden zertrümmert und angezündet, Geschäfte verwüstet und geplündert. Ladenbesitzer bieten seit neuestem Kunden-Rabatte an, die japanfeindliche Sprüche skandieren, manche Hotels heißen keine japanischen Gäste mehr willkommen.

Seit Mitte August schon schwelt der Konflikt zwischen China und Japan um – was eigentlich? Eine Inselgruppe von der Fläche so groß wie dreimal der Berliner Tiergarten. Auf japanisch heißt sie Senkaku, auf chinesisch Diaoyu. Wem die Inseln gehören, darüber streiten sich beide Länder seit Jahrzehnten. Die japanische Regierung gab nun vor einiger Zeit bekannt, die umstrittenen Inseln von einem Privatbesitzer kaufen zu wollen – in China wird das als Affront gesehen. Erst schäumten TV- und Radiomoderatoren wochenlang, das Land dürfe sich diese "Schikane" nicht bieten lassen, nun entlädt sich der Volkszorn auf der Straße.

Die kommunistische Partei stachelt Proteste an

Die gewaltsamen Ausschreitungen in Chinas Großstädten sind ein neuer Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen mit Japan. Es gibt ausreichend Anzeichen dafür, dass die Regierung in Peking die Proteste stillschweigend duldet, wenn nicht gar unterstützt. Die chinesische Polizei, die sonst jede noch so kleine Demo sofort im Keim zu ersticken weiß, zeigte sich bei den anti-japanischen Protesten kaum präsent. Verschiedene Medien berichten, dass Uniformierte vor der japanischen Botschaft in Peking den Protestierenden sogar Anleitungen gaben, wie "richtig demonstriert" werden solle: "Es ist richtig, eure Meinung zu äußern", sollen Beamte gesagt haben, "wir teilen eure Gefühle. Die Regierung hat klargemacht, dass sie nicht still sitzen und zuschauen wird, wie unsere territoriale Souveränität verletzt wird."

Das Parteiorgan People's Daily schreibt, wenn das chinesische Mutterland provoziert werde, sei die patriotische Wut der chinesischen Jugend "ununterdrückbar" und "müsse freigesetzt werden". Die Kommunistische Partei stachelt immer wieder gezielt nationalistisch motivierte Proteste an – so geschehen 2008, als in Paris #link;olympischer-fackellauf-china-gegner-entern-wahrzeichen-616570;Demonstranten der olympischen Fackellauf störten# und daraufhin Tausende in China französische Supermärkte demolierten. So geschehen 2005, als in Japans Schulen Geschichtsbücher eingeführt wurden, die aus chinesischer Sicht japanische Kriegsverbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg beschönigten.

Derartige Ausschreitungen kommen den Machthabern in Peking von Zeit zu Zeit gelegen, solange sie nicht gegen sie gerichtet sind und von innenpolitischen Problemen ablenken – und davon hat die Partei kurz vor dem anstehenden Machtwechsel zu genüge. Die Stimmung in China kocht: In einer Umfrage der Staatszeitung Global Times sagen 90 Prozent der Befragten, China solle weitreichendere Maßnahmen gegen Japan ergreifen. Zwei Drittel gaben an, Japan als "Rivalen" oder "Feind" zu sehen. Die chinesische Führung hat sich nun in eine Position manövriert, aus der heraus sich nur noch schwer kühlen Kopfes mit Tokio verhandeln lässt. Knickt sie jetzt ein, stellt sie sich selbst vor der Bevölkerung als schwach bloß.

China ist sehr reizbar

Dasselbe gilt für die japanische Regierung: den Plan, die Inseln zu kaufen, fasste auch sie in erster Linie, um bei den eigenen Bürgern zu punkten. Verstärkt wurde die diplomatische Krise dadurch, dass der neu ernannte japanische Botschafter überraschend am Sonntagmorgen starb, wie vermutet wird an den Folgen eines Herzinfarktes. Trotz aller Kriegsrhetorik und Säbelrasselei – dass China und Japan es im Inselstreit auf einen Krieg ankommen lassen, ist dennoch unwahrscheinlich. Zu eng sind die Wirtschaftsmächte Nummer zwei und drei miteinander verflochten, zu sehr ist Chinas Regierung auf gute Konjunkturdaten als Basis für den eigenen Machterhalt angewiesen.

Besorgniserregend sind die aktuellen Entwicklungen dennoch, zeigen sie doch auf, wie reizbar China doch ist: Die Volksrepublik sieht sich als wiedererstarkte Supermacht, agiert auf internationalem Parkett jedoch wie ein Mobbingopfer, das es den bösen Buben endlich mal zeigen will. Wenn die Pekinger Führung so handelt wie in der Vergangenheit, wird sie in den nächsten Tagen dafür sorgen, die Proteste schrittweise unter Kontrolle zu bringen. Am Dienstag jedoch werden mit Sicherheit nochmal zehntausende Chinesen gegen Japan auf die Straße gehen: Am 18. September jährt sich der Tag, an dem 1931 die japanische Invasion in China und damit der spätere Weltkrieg zwischen beiden Staaten ihren Anfang nahm.