Da kam an diesem strahlenden New Yorker Morgen, so ganz nebenbei, Brad Pitt aus dem Fahrstuhl gestolpert. Hellgrau glänzend der Designeranzug, wunderbar designgestrubbelt die Haare, strahlend weiß die Zähne. Schlenderte, ein bisschen schlaksig, den Gang entlang, begrüßte Südafrikas Bischof Tutu mit einem Klaps auf die Schulter. Der Mann Gottes wiederum hatte vor distinguiertem Publikum gerade an die Militärdiktatoren von Mianmar appelliert, dem dort demonstrierenden Volk endlich Freiheit zu geben und den Hausarrest für die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Ky aufzuheben. "Diese wunderbare Frau ist mein einziges Pin-up-Girl", rief der stets quietschlebendige Bischof in den Saal, dafür gab es einen Extra-Applaus.
1300 wichtige Menschen sind gekommen
Selbst Al Gore hatte sich an diesem strahlenden Morgen die Ehre gegeben, zeigte sich straff und erschlankt (ein Zeichen für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur?) und zog gegen die Erderwärmung zu Felde. "Es handelt sich um eine globale Notlage!", schwor er die 1300 Zuhörer ein. "Regierungen müssen endlich handeln." Und schließlich durfte auch Afghanistans Vorzeigepräsident Hamid Karzai in der illustren Runde nicht fehlen. Der ermunterte ausländische Unternehmen, in seinem Land zu investieren. "Afghanistan ist ein Platz für Business" sagte er, und dabei schaute er, als ob er es selbst nicht so recht glauben wollte.
Irgendwie hing an diesem strahlenden New Yorker Morgen mal wieder Alles mit Allem zusammen. Und warum? Weil ER gerufen hatte, Bill Clinton, bester Networker der Welt. Der Mann, der möglicherweise als einer der großen Wohltäter in die Geschichte eingehen wird - als einer, der quasi nur nebenbei mal Präsident der Vereinigten Staaten war. Und Bill hatte 1300 seiner besten Freunde sowie 52 derzeitige und ehemalige Staats- und Regierungschefs zur dritten Jahresversammlung seiner "Clinton Global Initiative" in den seelenlosen Festsaal eines New Yorker Hotels geladen. Die meisten Staatschefs waren sowieso da - zur UN-Vollversammlung ein paar Strassen weiter. Und für Bill räumten sie gerne ein Stündchen frei. Sagt der doch, überzeugend wie immer: "Menschen sind von Natur aus großzügig. Und man fühlt sich einfach gut, wenn man etwas geben kann."
Marktplatz für Geldgeber
Diese Initiative ist eines der vielen Projekte der Clinton-Stiftung, die der Ex-Präsident vor fünf Jahren gegründet hatte. Sie zählt rund 1000 feste Mitglieder; wird von den PR-Beratern gerne als "eBay der Wohltätigkeit" verkauft. Denn wie auf einem Marktplatz sollen an drei Tagen im Jahr Geldgeber, Ideen und konkrete Hilfsprojekte zusammengeführt werden. Dabei sollen Geldgeber tunlichst ein "commitment" abgeben, eine feste Zusage. Wer sein Versprechen nicht hält, so heißt es, wird ausgeladen. In den vergangenen beiden Jahren wurden Versprechen in Höhe von zehn Milliarden Dollar gegeben.
Teilnahmegebühr: 15.000 bis 25.000 Dollar. Ein Schnäppchen, meinen viele Teilnehmer, "Wir-tun-Gutes-PR" kostet doch sonst viel mehr. Gala-Empfänge, die Großen dieser Welt sind dabei. Brad Pitt und Angelina Jolie, Al Gore und Andre Agassi, das Ganze mitten in New York. Und Bill Clinton wird dazugeliefert.
Man spürt, wie viel er weiß
Und er? Charismatisch wie immer, ein begnadeter Entertainer, ohne Allüren. Kenntnisreich. Man spürt, wie viel er weiß, wie viel er gesehen hat von der Welt, von ihren Problemen, tragischen Konflikten, Träumen. Längst gleicht einem wandelnden Lexikon der Globalisierung, und stets drängt es ihn, den Rest der Welt zu überzeugen. Von den ökonomischen Vorteilen des freien CO2- Handels ebenso wie von den innenpolitischen Problemen des asiatischen Inselstaates Timur. Wie auf Knopfdruck referiert er kundig, er hat stets alle Zahlen, Zusammenhänge im Kopf. Erläutert nur allzu gerne die Idee des "sozialen Unternehmertums, dem eine schlichte Erkenntnis zugrunde liegt: Menschen möchten nur ungern Geld verlieren.
"Man darf niemanden fragen, ob er Geld verlieren will", weiß Bill Clinton, und Ira Magaziner, sein enger Vertrauter und Leiter der Clinton-Stiftung erklärt: "Hier geht es nicht um Wohltätigkeit." Man könne vielmehr gute Projekte mit Profit verbinden. Wie hatte der erzrepublikanische Kapitalist und ehemalige Zentralbankchef Alan Greenspan noch über seinen damaligen Dienstherren Clinton geschrieben? "Er war einer der intelligentesten Präsidenten, für den ich gearbeitet habe. Wir beide beobachteten die Welt mit Neugier und Nachdenklichkeit. Er ist ein außergewöhnlich fähiger Mann." Natürlich weiß er: Clinton ist ein Produkt, der "Markenname" Milliarden wert.
Milliarden für Hilfsprojekte
Und Milliarden müssen es schon sein in der globalisierten Wohltätigkeits-Industrie. Eine Milliarde Dollar der norwegischen Regierung für den Kampf gegen Kindersterblichkeit; 2,4 Milliarden der Elektrizitätswerke Florida zum Bau von Solarkraftwerken, ein paar hundert Millionen für Medikamente für Entwicklungsländer. "Wir befinden uns im Epizentrum internationaler Wohltätigkeit", weiß Ben Yarrow, Sprecher der Initiative.
Allein die Deutschen scheinen sich bislang nicht aufgerufen zu fühlen. Im vergangenen Jahr hatte der damalige Siemens CEO Klaus Kleinfeld wenigstens noch eine Lieferung Medizintechnik nach China angekündigt, vor zwei Jahren warteten die Energiewerke Baden-Württemberg mit Energiesparprojekten an zwei deutschen Schulen auf. Und in diesem Jahr? Deutschland wurde vor allem durch den Aachener Süßwaren-Produzenten, Bundesverdienstkreuzträger und Partylöwen Dr. Hermann Bühlbecker vertreten. Der sucht nach Projekten "aus den Bereichen Kinderheime und Trinkwasserversorgung in den Entwicklungsländern". Man ist darüber mit Brad Pitt im Gespräch, auch mit Angelina Jolie und Shakira - natürlich darf's gerne eine Portion Glamour sein. Oder auch zwei.
Jetzt kommt Clinton nach Deutschland
Die Deutschen sollen jetzt einmal so richtig begeistert werden - und zwar mit einem PR-Blitz à la Clinton. Ende der kommenden Woche soll er vor Zehntausenden in der Hamburger Color-Line-Arena auftreten, ein Redeprogramm gemeinsam mit dem netten, aber ziemlich langweiligen Hans Blix bestreiten. Hans Blix - er war einst der Leiter der UN-Behörde UNMOVIC zum Aufspüren von Massenvernichtungswaffen im Irak. Doch das ist eine Ewigkeit und einen Irak-Krieg her. Bill Clinton wiederum könnte aus seinem neuen Wohltätigkeitsbuch vorlesen.
Er wird das Gute im Menschen beschwören, und das kann er wirklich gut. Bislang werden für diesen erwarteten Sensations-Abend Eintrittspreise zwischen 90 und 200 Euro verlangt. Es gibt noch Karten, heißt es. Viele, viele Karten.