Chinas Regierungschef Wen Jiabao hat die Universität Cambridge aufgefordert, dem deutschen Schuhwerfer zu vergeben. Wen habe sich dafür ausgesprochen, dass der 27-jährige Doktorand Martin J. seine Arbeit an der britischen Universität fortsetzen könne, teilte das Außenministerium in Peking am Montag mit. Wen vertrete die Ansicht, dass Bildung die beste Hilfe für einen jungen Studenten sei.
Vor dem Gerichtstermin am Dienstag hatte die britische Staatsanwaltschaft die Identität des Schuhwerfers veröffentlicht. Demnach handelt es sich um den 27-jährigen Doktoranden Martin J. aus Deutschland. Er arbeitet in dem anerkannten Fachbereich Pathologie der Universität Cambridge, hieß es. Wegen Störung der öffentlichen Ordnung drohen ihm bis zu sechs Monate Haft und ein Bußgeld von 5730 Euro. Laut der Zeitung "Daily Telegraph" ist J. an bedeutenden Studien im Bereich der Genforschung beteiligt und hielt Seminare für andere Studenten ab.
"Es ist zu hoffen, dass der Student die Gelegenheit bekommt, seine Studien fortzusetzen", hieß es auf der Website des chinesischen Außenministeriums. China habe von einer schriftlichen Entschuldigung des Mannes erfahren. Wen zitierte ein chinesisches Sprichwort, wonach es wertvoller als Gold sei, wenn ein junger Mensch sich wandele, um einen Fehler wiedergutzumachen. Er hoffe, dass der 27-jährige Deutsche "seinen Fehler einsieht und versucht, das wirkliche und sich entwickelnde China zu sehen".
J. war am Montag vergangener Woche während einer Rede Wens in der renommierten Universität von Cambridge aufgestanden und hatte einen Turnschuh in Richtung des Ministerpräsidenten geworfen. Dabei rief er: "Das ist ein Skandal. Wie könnt ihr den Lügen dieses Diktators zuhören?" Der Schuh verfehlte Wen um etwa einen Meter. Anschließend ließ J. sich widerstandslos festnehmen.
Die britische Polizei beschuldigte ihn offiziell wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Wen verurteilte den Angriff als "verachtenswertes Verhalten", das der Freundschaft zwischen China und Großbritannien allerdings nicht im Wege stehen könne. Die chinesische Regierung versuchte den Zwischenfall in der Heimat soweit wie möglich herunterzuspielen.
Im Dezember hatte ein Schuhwurf eines irakischen Journalisten auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush weltweit für Aufsehen gesorgt. Der Fernsehjournalist Muntasser al Saidi hatte bei Bushs Abschiedsbesuch in Bagdad seine Schuhe in Richtung des scheidenden US-Präsidenten geworfen, der sich jedoch wegduckte und nicht getroffen wurde. Mitschnitte der Szene wurden vor allem in der arabischen Welt bejubelt. Saidi wurde umgehend festgenommen und muss sich ab dem 19. Februar vor Gericht verantworten.