Am Montag erschien an dieser Stelle der Kommentar von stern-Autor Tim Sohr "Die hohe Kunst, Trumps Feuer mit Feuer zu bekämpfen". Niels Kruse sieht das ein bisschen anders. Eine Gegenrede.
Lieber Kollege,
ich lese gerade Deinen Kommentar über die Kunst, wie man Trumps Feuer mit Feuer bekämpft und muss Dir entschieden widersprechen - nicht persönlich, sondern auf diesem Weg, weil, wie Du vielleicht weißt, ich gerade zu Hause meinen Dachboden entrümpele. Dort oben bin ich vorhin über meinen alten Gitarrenkoffer gestolpert, auf dem noch ein uralter Sticker klebt: "Lieber eine Pershing im Garten, als eine SS-20 aufs Dach". Der Spruch stammt aus Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses, Anfang der 80er-Jahre, als der Westen aus Gründen der Abschreckung weitere Atombomben in Westeuropa stationieren wollte. Ich glaube, die Bundeswehr hat ihn damals kostenlos verschickt, jedenfalls passt er gut als Beispiel für genau die Art von Auf- und Entrüstung, die auch Du propagierst. Und die genau ein, wenn nicht sogar der Grund für den Wahlerfolg von Donald Trump war.
Die "Zeit" hatte vor einer Woche in einem Stück die bange Frage gestellt, was denn wohl wäre, wenn Trump mit seiner Politik tatsächlich Erfolg haben sollte? Die Autoren sind im Verlauf ihrer Argumentation auf das immer wieder wiederholte Narrativ reingefallen, nach dem Fachleute, Umfrageinstitute und Medien die "Trump-Bewegung" völlig falsch eingeschätzt hätten. Nur stimmt das leider nicht. Jedenfalls nicht so pauschal. Viele Meinungsforscher haben das Ergebnis durchaus richtig vorhergesehen. Viele Journalisten aber (und ich nehme mich da nicht aus) hyperventilierten entweder, wenn eine Umfrage Donald Trump vorne sah. Oder wir lehnten uns selbstzufrieden zurück, wenn es hieß, Hillary Clinton würde gewinnen. Wie wir mittlerweile alle wissen, stimmt beides.
Donald Trump hat Glaubwürdigkeit der Medien untergraben
Das Ende vom Lied: Donald Trump (der so richtig wie falsch lag) ist es gelungen, die Glaubwürdigkeit von Experten und uns Medien (die wir genauso richtig wie falsch lagen) nachhaltig zu zerstören. Das ist wohl sein größter Erfolg - und den hat er deswegen errungen, weil wir ihn in einem Wettkampf des Gezeters, der Häme, der Beleidigung und Wahrheit erst so groß gemacht haben. Vielleicht kennst Du die Studien, die untersucht haben, wie viel Medienpräsenz wir ihm eingeräumt haben, in dem wir ständig seinem Dauerfeuer aus absurdesten Vorschlägen und Äußerungen nachgehechelt sind. So viele Anzeigen und Videoclips hätte er gar nicht schalten (und bezahlen) können.
Obwohl ich mich, wie wir alle, schon seit fast zwei Jahren mit Trump beschäftige, finde ich es auch in Woche drei seiner Präsidentschaft immer noch schwer einzuschätzen, was genau hinter seiner Politik steckt oder stecken könnte. Ist er einfach nur unerfahren und prescht impulsiv nach vorne? (Möglich, siehe Obamacare) Startet er Testballons, um zu schauen, welcher Freund und welcher Feind wie reagiert? (Nicht unwahrscheinlich, siehe "Muslim-Bann"). Agiert er als Symbolpolitiker, der jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf treibt, um Tatkraft und Aktionismus zu demonstrieren? (Vermutlich, siehe Budgetstreichungen für Abtreibungskliniken) oder zündet er Nebelkerzen, um von sinistren Plänen abzulenken? (Ebenfalls gut möglich, siehe die Berufung Stephen Bannons in den Nationalen Sicherheitsrat).
Unser Job ist nicht Kampagnenjournalismus
Aber ganz gleich, was Trump und sein Team mit ihrem Vorgehen bezwecken - unsere Empörung ist immer eingepreist. Und damit Schlagzeilen und Öffentlichkeit. Wir fachen immer und immer wieder durch unsere Berichterstattung noch so irrelevantes Glimmen zu Feuer an - und schreien gleichzeitig in einer Tour Alarm. Damit aber spielen wir nach seinen Regeln und untergraben fortwährend unsere Glaubwürdigkeit. Denn ganz egal was wir tun, wie gut oder schlecht es ist, Donald Trumps Anhänger werden sich immer wieder aufs Neue in ihrem Glauben bestätigt sehen, dass "diesen Medien" nicht über den Weg zu trauen ist. Und im Zweifel verschrecken wir selbst uns wohlgesonnene Geister. Und dann? Gewinnt die Seite, die Du gerne besiegt sehen willst.
Was also tun? Die Frage stellt sich ja auch im Umgang mit der AfD, Marine Le Pen in Frankreich oder Geert Wilders aus den Niederlanden, ebenfalls Großmeister in der Selbstverteidigungsregel "Verwende die Kraft des Gegner gegen ihn selbst". Ich sehe unseren Job nicht in irgendeiner Form des Kampagnenjournalismus - für oder gegen etwas. Natürlich könnten wir uns dafür entscheiden, aber dann sind wir eben auch nur Lobbyisten - und können uns nicht darüber beschweren, wenn der "Gegner" mit den gleichen Mitteln kämpft. Auch ich habe keine Lösung, aber meine Erkenntnis nach dieser Präsidentschaftswahl lautet: Politische Akteure sollten für uns Journalisten keine Gegner sein, sondern schlicht Akteure. Und selbst wenn Du es anders siehst: Brandstifter wollen es brennen sehen. Tun wir ihnen nicht den Gefallen, ihnen auch noch das Holz dafür anzureichen.