Zum an turbulenten Wochen sicher nicht armen Leben des Donald Trump könnte sich nun die nächste hinzugesellen: Gleich zwei weitere Ermittler schicken sich an, den früheren US-Präsidenten vor Gericht zu bringen. Nach eigener Aussage erwarte der "jederzeit" eine Anklage im Zusammenhang mit dem Kapitol-Sturm vom 6. Januar 2021, wie Trump auf seiner Plattform "Truth Social" schrieb und den zuständigen Sonderermittler in diesem Zusammenhang als "gestört" beleidigte.
Klagt Georgia Donald Trump an?
Auch die Untersuchungen gegen Trump im Bundesstaat Georgia wegen Wahlbeeinflussung sind offenbar abgeschlossen: "Die Arbeit ist erledigt", sagte Staatsanwältin Fanni Willis dem Fernsehsender WXIA. Ob und wer mit einer Anklage zu rechnen hat, wollte die Ermittlerin nicht sagen, da darüber ein Geschworenen-Gremium entscheidet. Es wird aber damit gerechnet, dass der Beschluss sehr bald gefällt wird.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
Beide mögliche Gerichtsverfahren gründen in der Niederlage Trumps bei der Präsidentschaftswahl 2020. Damals hatte er gegen den Demokraten Joe Biden verloren, akzeptierte seine Abwahl aber nicht. Stattdessen behauptet er bis heute, durch Betrug aus dem Amt geschieden zu sein. Tatsächlich aber war es eher Donald Trump, der versucht hat, sich mit unlauteren Mitteln an der Macht zu halten. In Georgia zum Beispiel fehlten ihm nur 11.779 Stimmen, um die Mehrheit in dem Bundesstaat zu gewinnen.
Im Laufe der Auszählung rief er den obersten Wahlaufseher Georgias, den republikanischen Parteikollegen Brad Raffensperger, an, um ihn in einem einstündigen Telefonat aufzufordern, genügend Stimmen "zu finden", um das Ergebnis "nachzuberechnen" und zu drehen. Gegen ihn und unter anderem auch seinen Anwalt Rudy Giuliani laufen deshalb Ermittlungen.
Trump gesteht Wahlniederlage nicht ein
Drastische Folgen hatte die beispiellose Attacke von Trumps Anhänger auf das US-Kapitol. Zahlreiche Menschen wurden dabei verletzt, fünf kamen ums Leben. Der Anlass für die Erstürmung: Am 6. Januar sollte Vizepräsident Mike Pence das Wahlergebnis zertifizieren. Trump bedrohte dabei nicht nur seinen eigenen Stellvertreter, sondern wiegelte seine Unterstützer einmal mehr mit der Behauptung auf, dass er durch massiven Wahlbetrug um seinen Sieg gebracht worden sei.
In den vergangenen Monaten war bereits in zwei anderen Fällen in New York und Miami Anklage gegen den Ex-Staatschef erhoben worden. Der eine Fall steht im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels, der andere dreht sich um die Aufbewahrung von streng geheimen Regierungsunterlagen in Trumps Privatanwesen. In letzteren Fall wurde nun ein Angestellter von Trumps Anwesen Mar-a-Lago vor Gericht angehört. Dem Hausverwalter werden Behinderung der Justiz, die Zerstörung von Beweismaterial und Falschaussagen vorgeworfen. Er soll auf Bitten Donald Trumps Videoaufzeichnungen vernichtet haben.
Jack Smiths "parteiische Verbrechertruppe"
Den Reigen an juristischen Schwierigkeiten kommentiert Donald Trump zuverlässig erbost bis ausfallend als politisch motivierte "Hexenjagd". Das Team von Kapitol-Sturm-Sonderermittler Jack Smith als "parteiische Verbrechertruppe", deren Vorgehen nichts anderes als "Wahlbeeinflussung" sei. Teuer aber sind die jetzigen und kommenden Verfahren auf jeden Fall: Wie die "Washington Post" berichtet, hat Trumps politisches Finanzierungskomitee allein im ersten Halbjahr umgerechnet rund 36 Millionen Euro für Rechtskosten ausgegeben.
In gewisser Weise könnte der frühere Präsident das Geld aber auch als gute Investition betrachten. Denn politisch gesehen, hat ihm bislang jede Anklageerhebung mehr geholfen als geschadet. Seine Umfragewerte kennen seit Wochen nur eine Richtung: aufwärts. Zumindest bei seiner republikanischen Partei, die in einigen Monaten über den offiziellen Präsidentschaftskandidaten abstimmen wird. Trumps Vorsprung auf den zweitplatzierten Ron DeSantis beträgt 36 Prozentpunkte. Noch nie hat ein Kandidatenanwärter einen solchen Vorsprung aus der Hand gegeben. Und im direkten Vergleich mit Joe Biden liegt er auch nur hauchdünn zurück.
Kontrahent DeSantis macht alles falsch
Die Präsidentschaftskandidatur ist dem früheren Staatsoberhaupt wohl nicht mehr zu nehmen. Schon die vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass Trump nicht trotz seines Auftretens bei Leuten ankommt, sondern genau deswegen. Zudem macht sein bisher einzig ernst zu nehmender Kontrahent DeSantis gerade alles falsch, was er falsch machen kann: Seine Auftritte sind frei von Charisma, seine Reden zu lang, seine Agenda für Minderheiten-Wähler wie Schwarze abschreckend. Doch sein größter Fehler dürfte sein Versuch sein, Trump die Anhänger abspenstig zu machen – die aber entscheiden sich lieber für das Original.
Quellen: DPA, AFP, RealClearPolitics, "Politico", "New York Times"