Dritte Anklage Donald Trumps Opfer-Strategie geht auf – und könnte den amerikanischen Rechtsstaat irreparabel beschädigen

Ex-Präsident Donald Trump versucht sich in rhythmischen Bewegungen bei der "Turning Point Action"-Konferenz Mitte Juli in West Palm Beach Florida 
Ex-Präsident Donald Trump versucht sich in rhythmischen Bewegungen bei der "Turning Point Action"-Konferenz Mitte Juli in West Palm Beach Florida 
© Joe Raedle/Getty Images
Der frühere Präsident wird womöglich schon bald ein drittes Mal angeklagt. Trump weiß die Gesetze der Mediendemokratie geschickt zu nutzen, um sich als Opfer zu inszenieren und nimmt jeden Kollateralschaden in Kauf.

Donald Trump weiß, wie wir denken. Mehr noch: Er weiß, was wir tun werden. Nein, der frühere Präsident der Vereinigten Staaten ist nicht unter die Hellseher gegangen, übersinnliche Fähigkeiten hat er keine, zumindest nach allem, was wir wissen. Doch Trump ist schlau, beherrscht den Umgang mit den von ihn verachteten Medien, Stichwort fake news, wie kaum ein anderer.

Am Dienstag hatte der Republikaner auf seiner eigenen Social-Media-Plattform Truth Social mitgeteilt, dass es schon bald eine dritte Anklage gegen ihn geben dürfte. Im Zuge der Ermittlungen zum Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 habe Trump einen Brief von Sonderermittler Jack Smith erhalten – binnen vier Tagen müsse er nun vor einer sogenannten Grand Jury erscheinen, soll es darin heißen.

Dies bedeute "fast immer eine Festnahme und Anklage", schrieb Trump. Nach eigenen Angaben wurde ihm der Brief am Sonntag zugestellt, die Deadline würde somit am Donnerstag ablaufen. Der frühere Präsident schrieb erneut von einer "Hexenjagd", all die Verfahren gegen ihn seien politisch motiviert.

Ein CNN-Reporter machte am Dienstag den Sonderermittler in der US-Hauptstadt beim Mittagessen aus. Doch Jack Smith wollte keinen Kommentar abgeben, als er das Sandwich-Restaurant verließ. Offiziell bestätigt wurde der Brief seitens der Behörden nicht, mehrere Medien berichteten aber, dass Trump tatsächlich vorgeladen wurde. Falls Smith eine Medienstrategie hatte, dürfte der Mann aus Florida sie durchkreuzt haben. Das ist mehr als Zufall, Trump verfolgt eine politische und kommunikative Strategie, will die Gerichtsverfahren für sich und seinen Wahlkampf nutzen.

Anklagen werden zur großen Show von Donald Trump

Bislang waren beide Anklagen gegen Trump ein Medienspektakel, ob in New York oder in Miami vor einem Bundesgericht. Der Ex-Präsident will sicherstellen, dass er auch eine mögliche dritte Anklage für die Inszenierung seiner Opferrolle nutzen kann. Indem Trump als erstes über die Ermittlungen gegen ihn berichtet, will er die Kontrolle behalten und sichergehen, dass in der Öffentlichkeit seine Sichtweise dominiert. Da Jack Smith schweigt, gelingt Trump das sogar, zumindest vorerst. Und er weiß, dass die Medien darauf anspringen. Wer in diesen Stunden und Tagen amerikanische Nachrichtensender schaut, ob CNN oder Fox News, kommt an dem großen Trump-Spektakel nicht vorbei.

Bevor es zu den Anklagen kam, hatte Trump Probleme. Ron DeSantis, der Gouverneur aus Florida, holte in den Umfragen auf. Der Ex-Präsident sammelte zudem weniger Geld ein als erwartet. Doch all das änderte sich mit den Gerichtsverfahren. Trump wirft den Demokraten vor, die nächste Wahl beeinflussen zu wollen – er sagt und schreibt das wieder und wieder. Bei Trumps Anhängern und der republikanischen Basis verfangen diese Worte. Umfragen zeigen, wie immer mehr Menschen die These einer politisch motivierten Strafverfolgung teilen.

Und nebenbei zwingt Trump sich der republikanischen Partei erneut als Kandidat auf. Wenn Biden und die Demokraten gegen Trump ins Feld ziehen, muss man ihn natürlich verteidigen – so der Gedanke. Der mag banal sein, funktioniert aber.

Kevin McCarthy, der Sprecher des Repräsentantenhauses und damit einer der wichtigsten Köpfe der Republikaner, sprach davon, dass Biden die Regierung als "Waffe" gegen Trump einsetze. Er begründet das, genau wie Trump, mit Umfragen, wonach Biden mittlerweile hinter seinem Amtsvorgänger liege. Tatsächlich liegen die beiden in den landesweiten Umfragen entweder gleich auf oder Biden führt sie an. Was Trump und McCarthy sagen, entspricht nicht der Wahrheit.

Die Republikaner sabotieren den Rechtsstaat

Die Republikaner interessieren sich nicht für die Wahrheit, sie erschaffen für ihre Wählerinnen und Wähler eine eigene durch Behauptungen. Die sind zwar nicht von der Realität gedeckt, aber das liegt eben in der Natur von "alternativen Fakten", von denen einst eine Trump-Beraterin sprach.

Für die amerikanische Demokratie ist die Entwicklung der republikanischen Partei nichts weniger als eine Katastrophe. Die Grand Old Party macht aus ihrer Verachtung für den Rechtsstaat keinen Hehl, indem sie fortwährend die Justiz und Strafverfolgungsbehörden diskreditiert. Zur Erinnerung: Der Sonderermittler wurde eingesetzt, damit es eben gerade keine politische Beeinflussung gibt. Jack Smith arbeitet unabhängig vom Weißen Haus und dem Justizministerium. Würde Biden versuchen Einfluss zu nehmen und käme das raus, könnte er eine Wiederwahl vergessen.

Donald Trump ist das egal. Er möchte zurück ins Weiße Haus – zum einen, um die Niederlage gegen Biden vergessen zu machen und zum anderen, weil er auf Immunität und ein Ende der Strafverfolgung hofft. Doch soweit ist er noch nicht. Zunächst muss er erneut als Kandidat der Republikaner nominiert werden. Es ist eine bizarre Situation: Die Strafverfahren, die Trump ins Gefängnis bringen könnten, sind aus seiner Sicht der beste Weg zur Nominierung. Das stimmt womöglich sogar. Aber sind sie auch das Ticket ins Weiße Haus? Sollte Trump tatsächlich nominiert werden, entscheiden am 5. November 2024 die Wählerinnen und Wähler über diese Frage. Würden sie sich erneut für Trump entscheiden, könnte das den amerikanischen Rechtsstaat irreparabel beschädigen.