Und plötzlich steht ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump im Raum. Ein heikles Telefonat mit seinem ukrainischen Amtskollegen bringt den US-Präsidenten in Bedrängnis. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch.
Nach Auffassung der US-Demokraten hat Trump den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu genötigt, Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter einzuleiten. Vermutlich, so der Vorwurf, um sich im US-Wahlkampf 2020 einen Vorteil zu verschaffen (lesen Sie hier alle Hintergründe).
Ein brisantes Dokument sorgt nun für Zündstoff. Auf dem Weg zu einem möglichen "Impeachment" gegen Trump sehen sich die Demokraten bestärkt: Die von einem anonymen Hinweisgeber eingereichte Beschwerde über den Republikaner und dessen umstrittenes Telefonat berge wichtige Anhaltspunkte für die Ermittlungen gegen den Präsidenten. "Der Whistleblower hat uns einen Fahrplan für unsere Untersuchung gegeben", sagte Adam Schiff, Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus.
Warum ist der "Fahrplan" bei den Vorwürfen so brisant? Die fünf schwerwiegendsten Stellen im Überblick.
1. Vorwurf: Donald Trump wollte eine "Einmischung" aus dem Ausland bei den US-Wahlen 2020 "erbitten"
Im Rahmen seiner Arbeit habe der Whistleblower Informationen mehrerer Regierungsmitarbeiter erhalten, wonach der US-Präsident "die Macht seines Amtes nutzt, um die Einmischung eines ausländischen Landes bei der US-Wahl 2020 zu erbitten".
In der Regierungszentrale habe es tiefe Besorgnis über das Telefonat und über einen möglichen Amtsmissbrauch des Präsidenten gegeben, erklärte der Whistleblower. Regierungsmitarbeiter hätten ihm auch erzählt, dass es bereits laufende Diskussion mit Juristen des Weißen Hauses über den Umgang mit dem Telefonat gebe, "wegen der Wahrscheinlichkeit (...), dass sie Zeugen waren, wie der Präsident sein Amt für persönliche Belange missbraucht hat". Der Whistleblower schreibt in seiner Beschwerde, bei dem Telefonat hätten etwa ein Dutzend Regierungsmitarbeiter mitgehört.
Der Whistleblower räumte ein, er selbst sei bei den meisten Vorgängen kein direkter Zeuge gewesen, habe aber aus verschiedenen Quellen übereinstimmende und glaubwürdige Informationen verschiedener Regierungsmitarbeiter dazu bekommen. Ein internes Kontrollgremium hatte die Beschwerde als glaubwürdig eingestuft.
2. Vorwurf: Das Weiße Haus wollte das Trump-Telefonat vertuschen
Nach Angaben des Whistleblowers hätten sich mehrere ranghohe Mitarbeiter des Weißen Hauses nach dem Telefonat von Trump darum bemüht, "alle Aufzeichungen" über das Gespräch unter Verschluss zu halten.
"In den Tagen nach dem Telefonat habe ich von mehreren US-Regierungsmitarbeitern erfahren, dass hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses eingeschritten sind, um alle Aufzeichungen zu dem Telefonat zu 'sperren'," schreibt der anonyme Informant in seiner Beschwerde. Die "elektronische Abschrift" des Telefonats sei daraufhin aus dem Computersystem gelöscht worden, in dem solche Abschriften normalerweise archiviert werden. Sie sei dann auf einen anderen Server verschoben worden, der für "besonders heikle" Verschlusssachen genutzt werde.
Diese Vorgänge verdeutlichten, dass den Mitarbeitern des Weißen Hauses die "Bedenklichkeit" des Telefonats durchaus bewusst gewesen sei, schreibt der Geheimdienstmitarbeiter.
3. Vorwurf: Rudy Giuliani, Trumps privater Anwalt, hat sich in hoheitliche Angelegenheiten eingemischt
Rudy Giuliani ist der frühere Bürgermeister von New York, Trumps persönlicher Anwalt und ein enger Weggefährte. Der 75-Jährige vertritt Trump juristisch und tritt häufig auch angriffslustig im Fernsehen auf. Er ist kein Mitarbeiter der Regierung. Dennoch soll er sich aktiv darum bemüht haben, die Ukraine zu Ermittlungen in Sachen Biden zu bewegen, bis hin zu Gesprächen mit Mitarbeitern Selenskyjs. Trump wollte dem Protokoll des Telefonats zufolge auch ein direktes Gespräch Giulianis mit Selenskyj veranlassen.
Der Geheimdienstmitarbeiter schreibt in seinem Bericht über diverse Kontakte von Giuliani mit ukrainischen Regierungsvertretern. Darüber hinaus habe Giuliani eine Art Geheimkanal nach Kiew unterhalten, um "Nachrichten" Trumps zu übermitteln und den ukrainischen Präsidenten zum "Mitspielen" zu drängen, wie der "Spiegel" unter Berufung auf das Dokument schreibt. Dabei habe er offenbar bewusst den offiziellen "Entscheidungsprozess der nationalen Sicherheit umgangen", so der Whistleblower. EU-Botschafter Gordon Sondland und der Ukraine-Beauftragte Kurt Volker hätten vergeblich versucht, "den Schaden zu begrenzen", den Giuliani angerichtet habe.
Der Vorwurf an Giuliani: Er habe sich in hoheitliche Angelegenheiten eingemischt, obwohl Verhandlungen mit ausländischen Regierungen zuallererst Aufgabe des Außenministeriums sind und nicht einer Zivilperson. Auch wenn diese Person der persönliche Anwalt des US-Präsidenten sei.
Wie die "Washington Post" berichtete, sei die Causa Biden nach Ansicht hochrangiger Mitarbeiter des Außenministeriums gewissermaßen auf Giulianis Mist gewachsen. Darüber hinaus sei im Außenministerium und zum Teil auch im Weißen Haus befürchtet worden, dass Trump die komplizierten Beziehungen zur Ukraine belasten könnten. Man hätte aber gegen Giulianis Wirken keine Chance gehabt. Einer Reporterin von "The Atlantic" habe ein früherer Mitarbeiter des Weißen Hauses gesagt, die Angelegenheit sei nur eskaliert, weil "Rudy Scheiße in Trumps Kopf platziert" habe.
Quellen: "The Hill", "Süddeutsche Zeitung", "Spiegel Online", mit Material der Nachrichtenagenturen DPA und AFP