Sachlich ging es nur selten zu bei der ersten TV-Debatte zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden. Eine wirkliche Diskussion kam kaum zustande, weil vor allem Trump seinem Gegner ständig ins Wort fiel – und dann auch noch auf persönlicher statt politischer Ebene argumentierte. Immer wieder machte Trump die Familie von Joe Biden zum Thema.
Dabei ging es vor allem um Hunter Biden, den Sohn des ehemaligen Vizepräsidenten. Der Präsident behauptete, wie schon mehrmals in der Vergangenheit, Hunter Biden habe 3,5 Millionen Dollar von der Witwe des früheren Bürgermeisters von Moskau, der Unternehmerin Elena Baturina, erhalten. Dem Vater wirft Trump vor, seinen Sohn während seiner Zeit als Vizepräsident vor den Justizbehörden in der Ukraine geschützt zu haben. Und um diesen Punkt in der Debatte anzubringen, ließ Trump keine Gelegenheit aus.
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Donald Trump nutzt Bidens verstorbenen Sohn für persönliche Attacken
Der Amtsinhaber nutzte sogar Bidens verstorbenen Sohn Beau, um eine persönliche Attacke gegen seinen Rivalen zu fahren – ein Vorgehen, das viele Beobachter als besonders unanständig empfanden. Biden hatte sich in der Debatte auf angebliche verächtliche Äußerungen von Trump gegenüber toten Soldaten bezogen: "Mein Sohn war im Irak, er hat ein Jahr dort verbracht, er war kein Verlierer! Er war ein Patriot, und die Leute, die dort zurückgeblieben sind, waren Helden." Trumps Rückfrage: "Sprechen Sie von Hunter?" Biden antwortet: "Ich spreche von meinem Sohn Beau Biden." Trumps lakonischer Kommentar: "Ich kenne Beau nicht."
Beau Biden war 2015 im Alter von 46 Jahren an einem Hirntumor gestorben. Nach seinem Kriegseinsatz im Irak war er Attorney General – vergleichbar mit dem Amt des Justizministers – im US-Bundesstaat Delaware. Trump jedoch nutzte Bidens Erinnerung an den verstorbenen Sohn nur, um direkt wieder gegen den lebenden Sohn Hunter zu schießen: Dieser sei wegen Drogenkonsums unehrenhaft aus dem Militär entlassen worden.
Biden spricht über Drogenprobleme seines Sohns Hunter
Joe Biden allerdings blieb trotz dieser Attacken ruhig. Auf die Kokain-Sucht seines Sohns Hunter war der demokratische Politiker öffentlich bisher so gut wie gar nicht eingegangen. Das änderte sich in der TV-Debatte. An die Zuschauer gewandt, sagte Biden: "Mein Sohn hatte ein Drogenproblem, wie viele von Ihnen. Er hat es überwunden und ich bin stolz auf ihn." An einem anderen Punkt in der Debatte sagte Biden in die Kamera: "Es geht nicht um meine oder seine Familie, sondern um Ihre Familie – das amerikanische Volk."
Zumindest in dieser Hinsicht geht Joe Biden als Punktgewinner aus dem Schlagabtausch der beiden Kandidaten hervor. Trump disqualifizierte sich mit seinen respektlosen Äußerungen über die Familie des Konkurrenten selbst, urteilten viele Beobachter. Einige nannten seinen Umgang mit Beau Biden den Tiefpunkt der Debatte. "Was für eine Schande, was für ein Verräter", twitterte Trumps Nichte Mary L. Trump.
Biden profitierte nicht nur von Trumps Benehmen, sondern auch von seiner eigenen Offenheit und Emotionalität. Über seine tragische Familiengeschichte und vor allem die Drogenprobleme seines Sohns Hunter auf der Weltbühne zu sprechen, habe ihm viele Sympathien eingebracht, urteilte beispielsweise die CNN-Kommentatorin Gloria Borger nach der Debatte: "Das war ein Moment, in dem Biden glänzen konnte."