Als Robert Mueller, Sonderermittler in der Russland-Affäre, im Juli 2019 vor dem US-Kongress von einem republikanischen Abgeordneten gefragt wurde, ob es möglich wäre, Donald Trump wegen einer Straftat anzuklagen, wenn er nicht mehr US-Präsident sei, antwortete der frühere FBI-Direktor kurz und knapp: "Ja." In gut zwei Monaten ist es nun so weit. Dann ist Trump wieder Privatbürger und muss sich ohne den rechtlichen Schutz des Amtes einer Welle von juristischen Auseinandersetzungen stellen.
"Sobald er aus dem Amt ist, wird sich die Atmosphäre ändern", prognostiziert Daniel R. Alonso, ehemaliger US-Bundesstaatsanwalt und Ex-Staatsanwalt des Staates New York, der BBC. "Er wird nicht länger die Macht des Präsidenten haben, real oder als Bedrohung, um Ermittlungen zu vereiteln." Der britische Sender hat die sechs größten Rechtsstreitigkeiten des Noch-Präsidenten unter die Lupe genommen und deren mögliche Entwicklung skizziert.
Die Schweigegeld-Vorwürfe
Das Playboy-Model Karen McDougal und die Pornodarstellerin Stormy Daniels behaupten, sie hätten sexuelle Beziehungen zu Trump gehabt und seien während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 von dessen damaligem Anwalt Michael Cohen dafür bezahlt worden, diese zu verschweigen.
Als die beiden Frauen im Jahr 2018 mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit gingen, führte das zu zwei strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Das erste konzentrierte sich auf Verstöße gegen bundesstaatliche oder nationale Gesetze und die Rolle von Cohen. Im Rahmen der Untersuchung gab der Anwalt zu, Zahlungen an McDougal und Daniels veranlasst zu haben. Die Zahlungen wurden als Verstöße gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung strafrechtlich verfolgt und Cohen wurde 2018 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Nach Aussage von Cohen hatte Trump ihn "angewiesen", das Schweigegeld zu zahlen, dennoch wurde der US-Präsident deshalb nicht angeklagt. Dafür gibt es laut BBC zwei Gründe: Erstens hätten die Staatsanwälte beweisen müssen, dass Trump Cohen tatsächlich beauftragt hatte, McDougal und Daniels Geld zu geben. Zweitens selbst wenn die Staatsanwälte genügend Beweise hätten, um den 74-Jährigen vor Gericht zu bringen, widerspräche es Rechtsexperten zufolge der Politik der US-Regierung, einen amtierenden Präsidenten auf Bundesebene strafrechtlich zu verfolgen.
Zu den Akten gelegt ist der Fall deshalb aber nicht. In einem zweiten Verfahren untersucht der New Yorker Staatsanwalt Cyrus Vance, ob die Trump Organization, in der das Geschäftsimperium des Präsidenten gebündelt ist, im Zusammenhang mit den Zahlungen Geschäftsunterlagen gefälscht hat.
Das wäre nach New Yorker Recht zwar nur ein Vergehen, das mit einer Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden könne, sofern es innerhalb einer Frist von zwei Jahren zur Anzeige gebracht werde, und die sei bereits verstrichen, schreibt die BBC. Allerdings könne die Fälschung von Geschäftsunterlagen auch als Kapitalverbrechen angeklagt werden, wenn sie der Verschleierung anderer Straftaten wie zum Beispiel Steuerbetrug diene. Verbrechen sind schwerere Straftaten, die über einen längeren Zeitraum verfolgt werden können und mit härteren Gefängnisstrafen geahndet werden.
Dennoch sei der Weg zu einer Anklage unsicher stellt der britische Sender fest. Es sei unklar, ob Trump nach New Yorker Recht für Verstöße gegen die Wahlkampffinanzierung — das Bundesverbrechen, für das Cohen inhaftiert wurde — tatsächlich strafrechtlich verfolgt werden könne.
Doch da kämen dann die anderen Ermittlungsstränge von Staatsanwalt Vance ins Spiel:
Die Untersuchung von Steuer- und Bankbetrug
Seit mehr als einem Jahr verlangt Vance von Trump und dessen Firmen Einsicht in deren Steuer-und Finanzunterlagen aus den Jahren 2011 bis 2018. In seinem Anforderungsschreiben an das Gericht vom August 2019 bezog sich der Staatsanwalt auf "unbestrittene" Medienberichte über "möglicherweise umfangreiches und langwieriges kriminelles Verhalten bei der Trump Organisation" einschließlich Behauptungen über möglichen Versicherungs- und Bankbetrug. Ein anderer Gerichtsantrag im September erwähnte Steuerbetrug als ein hypothetisches Verbrechen, das nachgewiesen werden könnte, falls Beweise dafür gefunden würden.
In New York können einige Arten von Steuerbetrug als Straftaten angeklagt werden, die mit langen Gefängnisstrafen geahndet werden können. Bislang haben die von Vance angeführten Medienberichte jedoch nur Ermittlungen ausgelöst, Anklagen gibt es noch nicht.
Der US-Präsident verweigert die Herausgabe der Dokumente, spricht von politischer Schikane und ist deshalb vor den Obersten Gerichtshof gezogen. Dort könnte die Angelegenheit geregelt werden. Für Trump steht dabei viel auf dem Spiel. Die bedeutendsten strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Republikaner seien diejenigen, die seine Steuer- und Bankunterlagen ins Visier nähmen, sagte Jonathan Turley, Rechtsprofessor an der George Washington University, der BBC. "Aber ob es eine Strafsache gibt, muss sich erst noch herausstellen."
Sollte die Staatsanwaltschaft Trumps Steuererklärungen erhalten, könne dies eine Straftat offenbaren oder auch nicht, schreibt der Sender. Auf jeden Fall aber brauche Vance die Unterlagen, um seine Untersuchung voranzubringen.
Der Vorwurf des Immobilienbetrugs
Die New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James leitet seit März 2019 zivilrechtliche Ermittlungen, in denen festgestellt werden soll, ob die Trump-Organisation Immobilienbetrug begangen hat. Auch diese Untersuchung geht auf Cohen zurück, der im Februar 2019 vor dem US-Kongress aussagte, Trump habe den Wert seines Immobilienvermögens künstlich aufgebläht, wenn er Kredite beantragen wollte, und auf der anderen Seite heruntergespielt, um weniger Immobiliensteuer zu zahlen.
Nach Cohens Zeugenaussage wollte James Informationen über das Imperium des US-Präsidenten einholen. Wie Staatsanwalt Vance musste auch die Generalstaatsanwältin vor Gericht um diese Informationen kämpfen. Trumps Sohn Eric, der die Geschäfte der Trump Organization leitet, warf ihr eine "politische Vendetta" vor. Trotzdem kam er im Oktober einer gerichtlichen Vorladung als Zeuge in ihrem Büro nach.

Um ihre Untersuchung voranzubringen, braucht James nach Angaben der BBC weitere Zeugenaussagen und Informationen. Trump habe bislang argumentiert, er sei zu beschäftigt, um sich mit Klagen zu befassen. Nach seiner Abwahl könne er dieses Argument aber nicht mehr anführen und die Generalstaatsanwältin könne ihn mit weniger Zurückhaltung behandeln und ihn, genau wie seinen Sohn, dazu drängen, sich unter Eid befragen zu lassen.
"Die meisten Gerichte wären mit einem angeklagten Präsidenten sehr nachsichtig in Bezug auf Dinge wie zum Beispiel die Terminplanung. Nicht so mit einem Privatmann", zitiert die BBC Ex-Bundesstaatsanwalt Alonso.
Zivile Untersuchungen wie diese können dem Sender zufolge zu Geldstrafen führen, wenn Beweise für Fehlverhalten gefunden werden. Sollte dies der Fall sein, könne auch eine weitere strafrechtliche Untersuchung nicht ausgeschlossen werden.
Die Emolument-Regeln
Trump wird vorgeworfen, während seiner Präsidentschaft gegen die sogenannten Emolument-Regeln in der US-Verfassung verstoßen zu haben. Diese Regeln schreiben allen Bundesbeamten einschließlich des Präsidenten unter anderem vor, die Zustimmung des Kongresses einzuholen, bevor sie von ausländischen Staaten irgendetwas annehmen, das ihnen einen Vorteil bringt.
In drei separaten Zivilklagen wird laut BBC behauptet, dass Trump diese Zustimmung nicht eingeholt habe. Eine davon nannte demnach die Unterbringung ausländischer Beamter im Trump International Hotel in Washington als möglichen Verstoß. Trump habe die Vorwürfe als "erfunden" dementiert und darauf hingewiesen, dass auch andere amtierende Präsidenten Geld verdient hätten.
Rechtsexperten erwarten nach Angaben der BBC, dass die Klagen wahrscheinlich abgewiesen oder fallen gelassen werden. Eine Klage von demokratischen Kongressabgeordneten sei bereits vor dem Obersten Gerichtshof gescheitert.
Es sei unwahrscheinlich, dass die Emolument-Regeln zur Grundlage irgendeines Strafverfahrens würden, sagte Rechtsprofessor Turley dem Sender. Die Anschuldigungen bezögen sich auf den Amtsinhaber Trump, so dass die Kontroverse, sobald er das Weiße Haus verlassen habe, weitgehend akademisch und irrelevant werde.
Klagen wegen sexuellen Fehlverhaltens
Trump wird von mehreren Frauen sexuelles Fehlverhalten bis hin zu Vergewaltigung vorgeworfen, das sich über Jahrzehnte erstreckt. Der US-Präsident hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen und sie als Fake News, politische Verleumdungen und Verschwörungen abgetan. Viele der Frauen haben sich vor Trumps Wahlsieg im Jahr 2016 gemeldet. Dieser hatte daraufhin gedroht, die Frauen zu verklagen, dies aber bislang noch nicht getan. Stattdessen haben zwei der Frauen eine Verleumdungsklage gegen den Präsidenten eingereicht, weil er sie als Lügnerinnen bezeichnet hat.
Eine von ihnen ist E. Jean Carroll, langjährige Kolumnistin der Zeitschrift "Elle". Die heute 76-Jährige wirft Trump vor, sie Mitte der 90er-Jahre in der Umkleidekabine eines Luxus-Kaufhauses in Manhattan vergewaltigt zu haben. Nach Bekanntwerden der Anschuldigung im vergangenen Jahr hatte der Präsident erklärt, Caroll würde "total lügen" und behauptet, er kenne sie gar nicht. "Sie ist nicht mein Typ", sagte Trump in einem Interview. Carroll reichte daraufhin in New York eine Verleumdungsklage gegen ihn ein. Darin fordert sie einen nicht näher bezeichneten Schadenersatz und eine Rücknahme der Aussagen von Trump.
Im September schaltete sich das US-Justizministerium in den Fall ein und versuchte, einen der persönlichen Anwälte Trumps durch einen Regierungsanwalt zu ersetzen. Der Präsident habe "im Rahmen seines Amtes oder seiner Anstellung gehandelt", als er die angeblich verleumderischen Bemerkungen gemacht habe, führte das Ministerium als Begründung an. Deshalb könne er von Anwälten der Regierung verteidigt werden. Ein Richter in New York wies das Anliegen des Ministeriums aber Ende Oktober zurück mit der Begründung, dass "die Anschuldigungen in keiner Beziehung zu den offiziellen Geschäften der Vereinigten Staaten stehen".
Carrolls Anwälte könnten nun weiter Beweise sammeln und zum Beispiel versuchen zu überprüfen, ob sich Trumps DNA auf einem Kleid befindet, das die Kolumnistin nach eigenen Angaben zum Zeitpunkt des angeblichen Angriffs anhatte, berichtet die BBC. Dazu bräuchten sie eine DNA-Probe des Präsidenten.
Eine ähnliche Verleumdungsklage, eingereicht von Summer Zervos, einer früheren Kandidatin in Trumps Fernsehshow "The Apprentice", könnte in die gleiche Richtung gehen, schreibt der Sender weiter. Zervos behauptet, Trump habe sie während eines Treffens zur Besprechung von Arbeitsmöglichkeiten in einem Hotel in Beverly Hills im Jahr 2007 sexuell missbraucht.
Der US-Präsident wies die Behauptung als "erfunden" zurück und beschuldigte Zervos, den Vorwurf fabriziert zu haben, um dadurch Ruhm zu erlangen. Zervos verklagte ihn darauf hin 2017 wegen Verleumdung und verlangte Schadenersatz in Höhe von mindestens 3.000 Dollar. Trump versuchte, während seiner Amtszeit die Abweisung der Klage zu erreichen. Seine Anwälte führten dabei an, dass er als Präsident gegen Klagen vor bundesstaatlichen Gerichten immun sein sollte.
"Dieses Argument verflüchtigt sich am 20. Januar vollständig", sagte Barbara L. McQuade, Juraprofessorin an der University of Michigan, der BBC. Sobald Trump aus dem Amt ausgeschieden sei, beginne in dem Fall "die Phase der Entdeckung" und dort "könnte es Bewegung geben".
Die Mary-Trump-Klage
"Betrug war nicht nur ein Familiengeschäft – es war eine Lebensart", heißt es in der ersten Zeile der Klageschrift von Donald Trumps Nichte Mary Trump gegen ihren Onkel. In den im September in New York eingereichten Dokumenten beschuldigt sie den Präsidenten und zwei seiner Geschwister, sie um eine Erbschaft betrogen und dazu genötigt zu haben, ihre Anteile am Familienunternehmen aufzugeben. Donald Trump, sein im August verstorbener Bruder Robert sowie seine Schwester Maryanne – eine pensionierte Bundesrichterin – hätten sich dafür gegen sie verschworen.
Nach dem Tod ihres Vaters Fred Trump Jr. im Jahre 1981 habe Mary Trump im Alter von 16 Jahren wertvolle Anteile an dem Familienunternehmen geerbt, heißt es in der Klage. Donald Trump und seine Geschwister hätten sich damals verpflichtet, als Treuhänder "über die Interessen von Frau Trump zu wachen". Stattdessen hätten sie jedoch über ein ausgeklügeltes System enorme Gebühren berechnet und den Wert des Portfolios nach unten geschraubt. Schließlich hätten sie Mary Trump zur Unterzeichnung eines für sie ungünstigen Vergleichs gedrängt und sie somit aus dem Unternehmen vertrieben.
Die heute 55-jährige promovierte Psychologin verlangt mindestens 500.000 Dollar Schadenersatz, der genaue Betrag müsse vor Gericht ermittelt werden.
Die Antwort von Donald Trumps Anwälten auf die Klage steht noch aus. Sollten allerdings nach der Amtsübergabe am 20. Januar Anträge auf die Aushändigung von Dokumenten und Zeugenvorladungen kommen, kann der dann Ex-Präsident seine Amtspflichten nicht als Grund für eine Ablehnung anführen und müsste etwaigen gerichtlichen Anordnungen Folge leisten.
Quellen: BBC, DPA, AFP