Knapp drei Wochen vor dem geplanten Amtsantritt der neuen EU-Kommission nimmt der Druck auf den designierten Präsidenten Jose Manuel Barroso zu, sein Team umzustellen. Nach dem designierten Justiz- und Innenkommissar Rocco Buttiglione wurde am Dienstag auch der als Energiekommissar vorgesehene Ungar Laszlo Kovacs von einer Mehrheit des zuständigen Ausschusses im Europäischen Parlament abgelehnt. Barroso ließ dessen ungeachtet in Brüssel erklären, er habe weiterhin "volles Vertrauen" in sein Team.
Buttiglione: Kritik eine Diskriminierung
Buttiglione wies die Kritik des Rechtsausschusses an seiner Person als Diskriminierung zurück. Seine Zurückweisung durch den Ausschuss sei nicht inhaltlich begründet, erklärte der konservative italienische Politiker laut Tageszeitung "Il Messaggero". "Aber als Katholik und als Mitglied der Regierung von (Ministerpräsident Silvio) Berlusconi sagen sie, kann ich nicht Europäischer Kommissar werden." Der Rechtsausschuss hatte sich am Montag mit 27 zu 26 Stimmen gegen Buttiglione als Justizkommissar und mit 28 zu 25 Stimmen gegen ihn als Kommissions-Vizepräsident ausgesprochen.
Weitere umstrittene Kandidaten
Rocco Buttiglione und Laszlo Kovacs sind nicht die einzigen unter den 24 designierten EU-Kommissaren, die bei den Anhörungen im Europäischen Parlament auf heftige Kritik gestoßen ist. Vier weitere Kandidaten sind bei den EU-Parlamentariern umstritten:
Neelie Kroes:
: Zweifel gibt es besonders an der Unabhängigkeit der Niederländerin, die als Wettbewerbskommissarin Firmenfusion kontrollieren und öffentliche Beihilfen an Firmen überwachen soll. Sie saß unter anderem in den Aufsichtsräten der niederländischen Bahn, des Rüstungsunternehmens Thales Netherlands, des Autoherstellers Volvo und von McDonald’s Netherlands.
Mariann Fischer Boel:
Auch an der Unabhängigkeit der designierten Landwirtschaftskommissarin gab es Zweifel. Die Dänin verfügt über ausgedehnten Grundbesitz, der von ihrem Mann landwirtschaftlich bewirtschaftet wird. Der Betrieb wird wie andere auch aus dem EU- Agrarbudget subventioniert.
Stavros Dimas:
Der Grieche, der für das Amt des Umweltkommissars vorgesehen ist, wird von den Grünen und den Kommunisten als Lobbyist der Industrie bezeichnet. Auch seine Kompetenz in Umweltfragen wurde bezweifelt.
Ingrida Udre:
Die designierte Kommissarion für Steuern und die Zollunion ließ bei den Anhörungen nach Ansicht von Liberalen und Sozialisten viele Fragen offen und wirkte zuweilen inkompetent. Die Lettin soll als Vorsitzende der Partei «Grüne und Landwirte» in illegale Parteispenden verwickelt gewesen sein.
Der designierte Justizkommissar hatte in der Anhörung vor dem Ausschuss vergangene Woche gesagt, als Katholik halte er Homosexualität für eine Sünde, würde als überzeugter Europäer die Rechte von Schwulen und Lesben aber verteidigen. Berlusconi kritisierte die Entscheidung des Ausschusses scharf. "Schon die Idee, die Freiheit des Geistes und der Meinung eines Kommissars mit römisch-katholischem Glauben und Erziehung in Frage zu stellen ... hat einen extremistischen Beigeschmack", sagte Berlusconi laut Tageszeitung "Il Foglio".
Barroso hat "volles Vertrauen" in seine Kandidaten
Auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Hans-Gert Pöttering, erklärte sein "volles Vertrauen" in Buttiglione. Der Liberale Abgeordnete Alexander Alvaro forderte Barroso dagegen auf, Buttiglione zurückzuziehen. Das Votum des Ausschusses ist zunächst nicht bindend. Barroso will nach Angaben einer Sprecherin erst nach einem Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden des Parlaments am 21. Oktober entscheiden, ob er sein Team ändert. Bislang habe er "volles Vertrauen" in die Kandidaten.
Neben Buttiglione ist auch der designierte Energiekommissar und frühere ungarische Außenminister Kovacs in Bedrängnis. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie äußerte in einem Brief an Parlamentspräsident Josep Borrell nach Angaben der Grünen-Fraktion "ernsthafte Bedenken über die Eignung" von Kovacs für das Amt. "Sein berufliches Wissen und seine Fachkenntnis im Energiebereich wurden als unzureichend eingestuft", hieß es weiter. Die Sozialdemokratische Fraktion betonte indes, ihr Parteifreund Kovacs sei im Amt lernfähig.
Kovacs "versteht von seiner Sache nichts"
Dazu sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul: "Einen Kommissar auf Probezeit können wir uns nicht leisten." Kovacs "versteht von der Sache nichts und spielt weiter Außenminister", sagte Reul, der dem Ausschuss angehört. Am Mittwoch wollen sich die Fraktionsvorsitzenden mit Borrell treffen und die Meinungen der Ausschüsse zu allen 24 Kandidaten zusammentragen. Das Plenum des Europäischen Parlaments stimmt am 27. Oktober über die gesamte neue Kommission ab. Einzelne Kommissare kann das Plenum nicht ablehnen. Am 1. November soll die Barroso-Kommission ihr Amt antreten.