Feiern zum Kriegsende "Schweigen für Putin"

Der Bundeskanzler fand die Siegesparade zum 60. Jahrestag des Kriegsendes in Moskau "bewegend" und ging stillschweigend über den Umgang Russlands mit seiner Geschichte hinweg. Genau das wirft ihm die Union nun vor.

60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat Gerhard Schröder als erster deutscher Bundeskanzler am Montag an der Siegesparade in Moskau teilgenommen. Der Vorbeimarsch der Veteranen sei für ihn ein sehr bewegender Moment gewesen, sagte Schröder. Er habe daran denken müssen, "was für eine Verantwortung wir haben, (...) nie wieder zuzulassen, das das, was man in den Gesichtern sehen konnte, jemals wieder passiert, nämlich Krieg zwischen Russland und Deutschland". Der Tag in Moskau habe gezeigt: "Deutschland ist als geachteter Partner in den Kreis der Völkerfamilie aufgenommen worden", sagte der Kanzler.

Die Unionsfraktion im Bundestag nahm Schröders Verhalten Russland gegenüber zum Anlass für Kritik an der Russlandpolitik des Kanzlers. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Friedberg Pflüger (CDU), sagte zum Schweigen des Kanzlers zur russischen Geschichtsinterpretation: "Der Bundeskanzler hätte eine substanzielle Geste leisten müssen, die gezeigt hätte, dass er sich der russischen Geschichtsinterpretation nicht anschließt". Es sei zwar auch die sowjetische Armee gewesen, die das nationalsozialistische Regime niedergerungen habe, "aber deswegen ist sie noch lange keine Befreiungsarmee".

Beginn einer neuen Diktatur

Für viele Staaten Mittel- und Osteuropas, "einschließlich eines Teils Deutschlands, ist nach dem 8. Mai 1945 ein totalitäres System durch ein anderes abgelöst worden", so Pflüger weiter. Für diese Länder sei der 8. Mai kein Tag der Befreiung, sondern der Beginn einer neuen Diktatur gewesen. Es sei irritierend, dass Schröder um der Beziehungen zu Putin willen dazu schweige, sagte der CDU-Politiker.

Der SPD-Außenpolitik-Experte Gernot Erler wies die Kritik zurück. "Diese Nörgelei kennen wir schon. Sie ist wenig überzeugend", sagte Erler. Es sei nicht Aufgabe des Kanzlers, sich in den Geschichtsstreit anderer Länder einzumischen. "Wenn Bush das macht, dann ist das seine Sache", wurde Erler zitiert.

Zeitpunkt und Anlass von Kritik

Schröder sagte zur Nichtteilnahme zweier baltischer Staaten an der Moskauer Feier: "Ratschläge gerade von Deutschland sind an solch einem Tag nicht die geeignetsten." Auf die Frage, ob bei der strategischen Partnerschaft zwischen Europa und Russland auch für Kritik an der russischen Politik Raum sei, antwortete der Kanzler: "Die Frage ist, wann man es tut, zu welchem Zeitpunkt und anlässlich welcher Ereignisse."

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Wolfgang Schäuble (CDU), pflichtete Schröder bei: "Es gibt manches (in Russland), was Anlass zur Sorge gibt. Nun hat der Bundeskanzler Recht: An dem Tag heute ist es nicht in erster Linie an uns Deutschen, Ratschläge zu geben." Schäuble fügte aber hinzu: "Gute Freundschaft bewährt sich auch gerade darin, dass man die Wahrheit offen sagt und dass man nicht einfach Probleme verschweigt oder darüber hinweggeht."

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