Folgen des Hurrikans "Sandy" Zur Not wählt New Jersey auf Zetteln

Zerstörte Wahllokale, fehlender Strom für Wahlmaschinen: Wegen des Hurrikans "Sandy" müssen viele US-Bürger auf für sie ungewöhnliche Wege wählen: per Mail oder Fax, im schlimmsten Fall auf Zetteln.

Am Tag nach "Sandy", als New York unter Wasser stand und die Küste in New Jersey von den Fluten zerstört war, erwärmten sich die von dem Supersturm leidgeprüften Bewohner noch am Einsatz ihres Präsidenten: "Die Stromversorgung muss absolute Priorität haben", mahnte Barack Obama. Jetzt, eine Woche später, sitzen immer noch mehr als 1,5 Millionen Ostküstler ohne Heizung im Dunkeln. Und ein Kältesturm ist im Anmarsch. Auch der republikanische Gouverneur von New Jersey, seit kurzem Fan des demokratischen Staatsoberhaupts, ergeht es wie vielen seiner Landsleute: "Ich habe bei mir zuhause noch keinen Strom", sagte Chris Christie. "Ich bin unzufrieden, meine Frau ist ebenfalls unzufrieden."

In diesem Chaos, in dem bis zu 50.000 Menschen nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf haben, steht die Präsidentschaftswahl an. Doch Wind und Wassermassen haben viele Wahllokale unbrauchbar gemacht. Wegen der fehlenden Elektrizität funktionieren viele der in den USA üblichen Wahlmaschinen nicht, oder mussten an anderen Orten aufgestellt werden.

Von 1300 Wahllokalen sind 60 geschlossen

Doch die Wahlorganisatoren sind optimistisch, dass die Abstimmung relativ reibungslos ablaufen wird. "Von den rund 1300 Wahllokalen in New York City mussten gerade einmal 59 geschlossen oder verlagert werden", sagte Valerie Vazquez von der Wahlbehörde. Betroffen sind vor allem Kabinen an den Küsten von Brooklyn und Queens. Insgesamt wurden mehr als 140.000 Bürger anderen Wahlbüros zugewiesen, die mit Bussen zur Stimmabgabe gefahren werden sollen.

Allerdings ist selbst Benzin in einigen Orten so knapp geworden, dass sich vor den Tankstellen Schlangen von bis zu einem Kilometer bilden. Die Armee verteilte zwar aus Tanklastern kostenlos Benzin, doch vor diesen Verteilstellen bildeten sich ebenso wie vor den wenigen noch geöffneten Tankstellen Schlangen, die teilweise bis zu einem Kilometer lang waren. Um den Engpass zu beheben, wird mit Lastzügen Benzin und Diesel herbeigeschafft, auch Raffinerien und Tankhäfen sollen bald wieder voll einsatzfähig sein. Einige Tankstellen haben zwar noch Benzin - können es wegen Stromausfalls aber nicht aus den Tanks pumpen.

Bürger dürfen auch über E-Mail und Fax wählen

Im schlimmsten aller Fälle droht den vom Hurrikan Betroffenen: Wer zum Wählen auf das Auto angewiesen ist, kommt nicht ins Wahllokal, wenn es denn noch existiert. Und sollte es das tun, ist es nicht immer sicher, ob die dortige Abstimmungsinfrastruktur funktioniert. Fraglich ist auch, ob es alle Wahlhelfer pünktlich in die Wahllokale schaffen.

Um diese Hürden zu meistern, hat New Jerseys Regierungschef Christie seinen Bürgern erlaubt, ihre Stimme ausnahmsweise per E-Mail oder auch per Fax abzugeben. Sollte die Technik versagen, sollen Wähler zur Not per Zettel ihre Stimme abgeben können. Was gut gemeint ist, könnte jedoch Klagen nach sich ziehen. "Das ist fruchtbarer Boden für all diejenigen, die sich dazu entschließen, das Wahlergebnis anzufechten", sagte der New Yorker Wahlrechtsexperte Angelo Genova. Denn das Rennen zwischen Obama und Mitt Romney ist so eng, dass es im wahrsten Sinne auf jede Stimme ankommt.

Lage verbessert sich vielleicht erst in einem Jahr

Viele New Yorker aber haben derzeit ohnehin andere Probleme als die Wahlen, zumal die beiden Ostküstenstaaten sicher in demokratischer Hand sind: Die Opferzahl durch den Supersturm ist mittlerweile auf 110 gestiegen. Darüber hinaus warnen die Behörden die Einwohner vor andauernden Problemen im Nahverkehr und vor Benzinknappheit. Die Situation werde sich "nicht in Monaten und auch nicht in einem Jahr" vollständig normalisieren, sagte der Chef der Katastrophenschutzbehörde Fema, Craig Fugate. Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg appellierte an die Bürger, Geduld zu haben.

Besonders in die Kritik stehen die Versorgungsunternehmen wegen der Probleme mit dem Strom- und Heizungsnetz. "Das Stromnetz hier draußen ist wirklich alt und klapprig", sagte ein Feuerwehrmann aus Westhampton Beach im Süden von Long Island. Der Vize-Bürgermeister der im Norden von Long Island und noch immer im Dunkeln liegenden Gemeinde Flower Hill, Tab Hauser, forderte unterirdische Stromkabel und Metallmasten statt der üblichen Überlandleitungen und Strommasten aus Holz. "Jedes Jahr wird nur ein Pflaster drübergeklebt", kritisiert Hauser. "Das kann nächstes Jahr wieder passieren und nichts ändert sich."

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Niels Kruse/DPA/Reuters