Frankreich Hunderttausende protestieren gegen Rentenreform

Die Streiks und Massenproteste gegen die Rentenreform in Frankreich dehnen sich erstmals über mehr als einen Tag aus. Die Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe RATP beschlossen am Dienstag, ihren Ausstand auch am Mittwoch fortzusetzen.

Die Streiks und Massenproteste gegen die Rentenreform in Frankreich dehnen sich erstmals über mehr als einen Tag aus. Die Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe RATP beschlossen am Dienstag, ihren Ausstand auch am Mittwoch fortzusetzen. Hunderttausende gingen am vierten Protesttag seit gut einem Monat erneut gegen die Reform auf die Straße, die Gewerkschaften sprachen von einem neuen Höhepunkt.

Um den Druck auf die Regierung zu verstärken, hatten die Gewerkschaften vergangene Woche beschlossen, ab Dienstag täglich zu entscheiden, ob der Streik weitergeht. Als erste stimmten die Beschäftigten der RATP am Dienstag für eine Fortsetzung. Eine ähnliche Entscheidung dürfte bei der Staatsbahn SNCF fallen. Am Dienstag beteiligten sich laut SNCF-Leitung rund 40 Prozent der Eisenbahner an dem Ausstand, mehr als beim vorangegangenen Streiktag am 23. September. Von den Hochgeschwindigkeitszügen TGV, die zwischen Paris und der Provinz verkehren, fuhr nur jeder dritte. Auch Verbindungen nach Deutschland waren betroffen.

Am Pariser Flughafen Orly fiel jeder zweite Flug aus, am Hauptstadtflughafen Charles de Gaulle war es jeder dritte. Auch Schulen und Postämter blieben geschlossen. Laut Bildungsministerium legte etwa jeder fünfte Lehrer die Arbeit nieder, laut Gewerkschaften war es fast jeder zweite. Bei der Post gaben die Arbeitgeber die Zahl der Streikenden mit 16 Prozent an, die Gewerkschaften sprachen von 30 Prozent.

In Paris fand am Nachmittag eine Großkundgebung statt, landesweit erwarteten die Gewerkschaften mehr als drei Millionen Menschen zu den Protestaktionen. Die Regierung zählte bis zum Mittag rund 500.000 Demonstranten. Der Chef der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, sprach vom "stärksten Tag" seit Beginn der Protestbewegung. Erstmals gingen auch viele Schüler und Studenten auf die Straße. "Sarko, Du bist erledigt. Die Jugend ist auf der Straße", wandten sich hunderte Jugendliche in Toulouse in Protestrufen an Präsident Nicolas Sarkozy.

"Das ist eine der letzten Gelegenheiten, um die Regierung zum Nachgeben zu bewegen, denn der parlamentarische Prozess geht seinem Ende entgegen", sagte der Chef der größten Gewerkschaft CFDT, François Chérèque. Am Montagabend hatte der Senat einen besonders umstrittenen Passus des Rentengesetzes verabschiedet. Danach wird das Alter für die volle Rente unabhängig von den Beitragsjahren schrittweise von 65 auf 67 Jahre erhöht.

Der andere zentrale Artikel des Reformwerks, die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre, war bereits am Freitag im Senat gebilligt worden. Die Nationalversammlung hat die gesamte Rentenreform bereits abgesegnet, der Senat will bis Freitag endgültig über die Neuerungen entscheiden.

Die Regierung schloss weitere Zugeständnisse am Dienstag aus. "Man ist am Ende dessen angekommen, was möglich ist", sagte Premierminister François Fillon. Vergangene Woche hatte die Regierung kleinere Zugeständnisse etwa bei der Rente für Mütter von drei Kindern gemacht. Die Änderungen gehen den Gewerkschaften nicht weit genug.

Einer Umfrage zufolge unterstützen 69 Prozent und damit mehr als zwei Drittel der Franzosen die Streiks. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Ifop-Umfrage für die Zeitung "France-Soir" vertrauen derzeit 53 Prozent der Franzosen den Gewerkschaften, zehn Prozentpunkte mehr als im Juni.

AFP
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