G8-Lustbarkeiten Das Essen hat Sarko fertig gemacht!

Von Astrid Meyer, Paris
Ganz Frankreich johlt über ein Video, das Präsident Sarkozy bei einem wunderlich-wankenden Auftritt auf dem G8-Gipfel zeigt. War er etwa betrunken? Die französischen Medien schweigen ehrfürchtig - oder verweisen auf das deutsche Essen.

Betrunken oder nicht? Sympathisch oder verantwortungslos? Der Auftritt von Staatspräsident Nicolas Sarkozy nach dem Gespräch mit Putin beim G8-Gipfel wird in Frankreich überall diskutiert, nur nicht in den französischen Medien, die etwas auf sich halten. Auf Youtube wurden die einschlägigen Filmaufnahmen, die einen etwas beschickert wirkenden Sarkozy zeigen, mittlerweile mehr als zwei Millionen Mal abgerufen.

Auch viele Franzosen geben auf Youtube ihre Kommentare ab. Aber nicht eine französische Zeitung, kein einziges Magazin hat eine Zeile zum Thema gedruckt. Vom Fernsehen zu schweigen, und das liegt wohl kaum am Mangel an sendbarem (und unterhaltsamem) Material. Französische Journalisten äußern sich selbst im Gespräch mit Kollegen nur vorsichtig - und nur unter der Bedingung, keinesfalls genannt zu werden.

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Das Essen war's

"Schauen sie sich doch an, wer der Chef von LCI (dem französischen Info-Fernsehsender) ist", sagt eine Magazin-Journalistin unter Anspielung auf Jean-Claude Dassier, einem erklärten Sarkozy-Anhänger (LCI gehört im Übrigen Martin Bouygues, einem von Sarkozys Trauzeugen). Der Sender hatte zwar einen Auszug aus der einstündigen Presse-Konferenz mit dem heiteren aber angeschlagenen Sarkozy gebracht, aber einen, in dem der Präsident - im Gegensatz zum im belgischen Fernsehen Gezeigten - noch recht kontrolliert wirkt.

Die einzige französische Zeitung, die über den betrunken wirkenden Präsidenten berichtete, ist eine Regionalzeitung - und die tat es, um die beiden welsch-schweizerischen Zeitungen anzugreifen, die über die Angelegenheit humorvoll berichtet hatten: Der "Indépendant" stellte sich gestern flugs schützend vor Sarkozy. Und frönte ungeniert den in Frankreich verbreiteten Vorurteilen gegen die deutsche Küche, indem das Blatt das Essen für Sarkozys Zustand und Bushs Magenschmerzen verantwortlich machte.

Rache für Belgier-Witze?

Bei der linken französischen Zeitung "Libération", irgendwelcher Sarkozy-freundlicher Tendenzen unverdächtig, verwahrt man sich gegen die Vermutung, es habe ein regierungsfreundlicher Aktionär oder die eigene Schere im Kopf zugeschlagen. "Unser Korrespondent hat uns versichert, Sarkozy sei nicht betrunken gewesen", heißt es dort. Womit das Thema, das die französischen Blogs seit Tagen beherrscht, gestorben war.

Ein Kollege des Libération-Korrespondenten hat den Präsidenten im Übrigen anders erlebt: "Er hatte Schwierigkeiten zu sprechen, als habe er einen trockenen Mund - wie das so ist bei einem Kater." Der belgische Fernseh-Moderator, der den Beginn der Pressekonferenz mit sichtlichem Vergnügen zeigte ("der Präsident hatte offensichtlich nicht nur Wasser getrunken"), hat sich mittlerweile bei der französischen Botschaft entschuldigt. Er habe die Franzosen nicht kränken wollen. Womöglich wollte er sich für die vielen Belgier-Witze rächen, die in Frankreich in Umlauf sind?

Trinken für die bilateralen Beziehungen

Das Elysée ließ lediglich verlauten, über schlechte Witze äußere man sich nicht. Trotzdem hat Sarkozy mit seinem Auftritt womöglich mehr Sympathien bei den trinkfreudigen Franzosen gewonnen als verloren. Endlich habe der erklärte Enthaltsamkeits-Apostel mal menschlich gewirkt, hieß es in vielen Blogs. Es gibt auch Leute, die die heroische Selbstaufopferung ihres Präsidenten loben - er habe mit Putin einen gehoben, um die russisch-französischen Beziehungen gleich herzlich zu gestalten. Wie auch immer: Sarkozys Abgang von der Presse-Konferenz verdient, zitiert zu werden. Er ging dabei, auf unnachahmliche Weise, kurz auf das bevorstehende Treffen mit Kaczinski in Polen ein: "Kaczinski, Sarkozy, das reimt sich, aber sie sind zu zweit! Ich werde ohne meinen Bruder kommen, aber ich werde trotzdem kommen!"