Wenn Spartak Moskau Fußball spielt, bleiben Dramé Almamy und Abdoulaye Parry in ihrem Studentenheim. Nach den Spielen marodieren Hooligans durch die russische Hauptstadt. "Wenn ein Schwarzer für die Gegner ein Tor geschossen hat, üben sie Rache an uns", sagt der Student Abdoulaye aus dem westafrikanischen Staat Guinea.
"Katastrophale Situation"
Die großen russischen Städte sind für Menschen mit dunkler Hautfarbe ein gefährliches Pflaster. Selbst am helllichten Tag greifen rechtsgerichtete Schläger Ausländer an - oft schauen Passanten tatenlos zu. "Die Situation ist katastrophal", sagt Swetlana Ganuschkina vom Moskauer Büro für Menschenrechte. Der Rassismus nehme von Tag zu Tag zu. In St. Petersburg wurde Mitte Oktober ein Student aus Vietnam von Rechtsradikalen erstochen.
Umfragen zufolge teilen 60 Prozent der Russen fremdenfeindliche Ansichten. Dabei sind die Sympathien sehr unterschiedlich verteilt. Oben auf der Hass-Skala rangieren Kaukasier, Menschen aus den zentralasiatischen Republiken, Afrikaner und Asiaten. Westeuropäern begegnen die Russen dagegen äußerst freundlich und hilfsbereit.
Abdoulaye Parry studiert an der Universität der Völkerfreundschaft im Moskauer Süden internationale Beziehungen. Vom Leben der Hauptstadt bekommt der Student aus Guinea nur wenig mit. Den Campus verlässt er nur in Gruppen. Sein Kommilitone Dramé ist selbst in der Moskauer Metro bereits von Schlägern angegriffen worden. Russland ist beliebt bei Studenten aus Afrika und Asien. Das russische Hochschulsystem gilt als gut. Oft hat der Studentenaustausch Tradition aus Zeiten der sozialistischen Völkerfreundschaft. Doch wer hier sein Diplom gemacht hat, möchte schnellstmöglich wieder zurück in die Heimat.
Nicht nur Schläger geben den afrikanischen Studenten das Gefühl, nicht willkommen zu sein: Busfahrer schlagen die Türen zu, Marktfrauen lassen sie warten. "Der Rassismus ist in der Gesellschaft tief verankert", sagt Abdoulaye. 300 Übergriffe aus rassistischen Motiven hat das Moskauer Büro für Menschenrechte allein in diesem Jahr festgehalten. Doch solche Zahlen sind in Russland wenig aussagekräftig. Denn die Polizei zeigt nur wenig Interesse, nationalistische Hassverbrechen aufzuklären.
Ermunterung durch Polizisten
Manche Polizisten ermunterten Extremisten nach Angaben der Menschenrechtler sogar zu neuen Gräueltaten. "Die Gerichte decken die Mörder noch", klagt Ganuschkina. Nur fünf Mal haben die Richter in diesem Jahr Urteile wegen Straftaten aus ethnischem Hass gefällt. Meist werden Schläger nur wegen "harmlosen Rowdytums" verurteilt. "Wenn wir in der Metro angegriffen werden, schreitet die Polizei erst ein, sobald wir uns wehren", berichtet Abdoulaye Parry. Als Dramé einmal einen Skin geschnappt hatte, ließ ihn die Polizei prompt wieder laufen. Noch nicht einmal die Personalien hätten die Beamten aufgenommen.
Auf 50 000 Skinheads schätzen Experten die rechtsextremistische Szene Russlands. Doch Staat und Gesellschaft unternehmen kaum etwas gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit. Der Staatsmacht sei das ganz recht, sagt Ganuschkina. Sie kanalisiere so die Unzufriedenheit der Menschen. Nur die spektakulärsten Verbrechen mit nationalistischem Hintergrund fänden ihren Weg in die Medien. Dennoch gibt es die sprichwörtliche russische Gastfreundlichkeit noch. Im persönlichen Kontakt seien alle Russen sehr herzlich, sagt Dramé. "Aber Du kannst ja nicht auf jeden zugehen."