Der Terrorexperte Erich Schmidt-Eenboom hält eine Täterschaft der El Kaida bei den Anschlägen von Madrid für sehr wahrscheinlich. Die Professionalität und Brutalität der Anschläge spreche eindeutig gegen die baskische Untergrundorganisation ETA und mehr für El Kaida, sagte Schmidt-Eenboom am Samstag im NDR. Osama bin Laden habe gedroht, die engsten Verbündeten der USA im Irak-Krieg abzustrafen. "Und da war Spanien nun einmal, wegen der islamischen Minderheit im Lande, das weichste und am leichtesten erreichbare Ziel."
Der Anschlag sei ETA-untypisch, betonte der Terrorexperte. Es habe nicht, wie sonst üblich, eine Warnung gegeben, "und vor allem muss man einmal generell unterscheiden zwischen so apokalyptischem Terror, wie El Kaida ihn verbreitet, und jenem Terror, der eine konkrete politische Zielsetzung hat, und sei es für die ETA im Augenblick nur, Flagge zu zeigen". Für eine Unabhängigkeit des Baskenlandes sei ein Anschlag mit derartig vielen Toten und Verletzten "nicht zielführend, sondern er würde ins Gegenteil umschlagen und die ETA endgültig in die gesellschaftliche Isolation treiben".
Schmidt-Eenboom wies Vermutungen über eine Zusammenarbeit zwischen ETA und El Kaida zurück. Dafür gebe es keine Beweise, außerdem unterscheide sich der Terror zu sehr. Solche Vermutungen seien ein ähnliches Phänomen wie die Versuche, Zusammenhänge zwischen Saddam Husseins Geheimdiensten und El Kaida oder zwischen PLO, Hamas und El Kaida zu erdichten. "Da versuchen bestimmte Politiker immer, eine gemeinsame Terror-Holding darzustellen, damit bestimmte Gegenmaßnahmen in Spanien gegen die ETA auf höherem juristischen oder sicherheitspolitischen Niveau durchgeführt werden können", sagte Schmidt-Eenboom.
Der Sicherheitsexperte betonte, auch mit allen möglichen Maßnahmen könne es keine totale Sicherheit vor derartigen Anschlägen geben. Insbesondere im Bereich der weichen Ziele gebe es eine hohe Gefahr für Anschläge der El Kaida. Die Debatte in Deutschland über eine Überwachung der Bahnhöfe durch Bundeswehr und BGS bezeichnete er als „Suggerieren einer Scheinsicherheit“, weil es in einer Industriegesellschaft zu viele verwundbare Stellen gebe. "Wir werden in absehbarer Zeit damit leben müssen, dass El Kaida handlungsfähig ist und auch in Europa, weniger jedoch in Deutschland und Frankreich Anschläge verübt."