Mit Macht hat das grausige Gesicht des irakischen Aufstands gegen die US-Besatzung die amerikanischen Wohnzimmer erreicht: Filmaufnahmen zeigten, wie jubelnde Menschen die Leichen von vier amerikanischen Zivilisten schändeten. Ähnliche Bilder hatten vor zehn Jahren den Anstoß zum Rückzug der US-Truppen aus Somalia gegeben. Diesmal steht für die US-Regierung jedoch mehr auf dem Spiel. Ein Abzug der Streitkräfte könnte zu einem Bürgerkrieg führen und das Land in ein Rückzugsgebiet für Terrororganisationen verwandeln.
"Die Glaubwürdigkeit des Präsidenten steht auf dem Spiel, die strategische Bedeutung der Operation ist viel größer als in Somalia und es wurde viel mehr investiert", sagt der Militärexperte Michael O’Hanlon von der Brookings Institution. "Zugegeben, diese Angriffe waren besonders abscheulich, aber das Land ist auf diese Dinge vorbereitet."
Die Bilder wurden in die ganze Welt übertragen
Somalische Milizen hatten 1993 zwei US-Militärhubschrauber angegriffen und 18 Soldaten getötet. Ein Mob zerrte die Leichen durch die Straßen von Mogadischu. In Falludscha, etwa 60 Kilometer westlich von Bagdad, wurden am Mittwoch vier Leichen von amerikanischen Zivilisten geschändet und zwei an einer Brücke über den Tigris aufgehängt. Fernsehkameras übertrugen die Bilder in die ganze Welt. Am selben Tag wurden fünf amerikanische Soldaten bei einem weiteren Bombenanschlag in der Stadt Malahma 20 Kilometer weiter nordwestlich getötet.
Die US-Regierung will sich trotzdem nicht von ihrem Kurs abbringen lassen. Den Aufständischen nachzugeben, würde bedeuten, die Erinnerung an die Soldaten zu entehren, die ihr Leben gaben, wie US-Militärsprecher Mark Kimmitt erklärte. Die Angriffe vom Mittwoch seien ein Beispiel für einen leichten Anstieg der "örtlichen Gefechte", die jedoch einen "unerheblichen Einfluss" auf die Fortschritte der alliierten Truppen hätten. Die Truppen wollten verstärkt gegen die Hintermänner des Aufstands vorgehen.
An Bilder von getöteten Soldaten gewöhnt
In den USA ist die Bevölkerung inzwischen an Bilder von getöteten Soldaten gewöhnt. Auch dort gibt es jedoch eine Grenze, wie viel Todesfälle sie akzeptieren kann, bevor der Druck auf US-Präsident George W. Bush wächst, die Truppen abzuziehen. In Umfragen erklären derzeit mehr als 50 Prozent der US-Bürger, die Entscheidung für einen Krieg gegen Irak sei richtig gewesen. Während des Krieges hatten drei Viertel der Befragten diese Einschätzung geteilt, Mitte Januar waren es immerhin noch zwei Drittel. Der Fernsehsender CBS und die Zeitung "New York Times" fragten, ob das Ergebnis des Krieges den Aufwand wert war: 51 Prozent antworteten mit Nein, 42 Prozent mit Ja.
Für Bush kommen die jüngsten Schreckensnachrichten aus Irak zu einer denkbar ungünstigen Zeit, bangt er doch um seine Wiederwahl im November. Sein wahrscheinlicher demokratischer Herausforderer John Jerry stimmte dem Krieg im Oktober 2002 zwar zu. Jetzt wirft er dem Präsidenten jedoch vor, einer verfehlten Irak-Politik anzuhängen, die amerikanische Soldaten das Leben koste.
Ein Scheitern kann Bush sich nicht leisten
Bushs Rolle als selbst ernannter Präsident in Kriegszeiten ist eines der Hauptthemen im Wahlkampf. Ein Scheitern kann er sich nicht leisten. "Es steht viel auf dem Spiel in Irak", sagte Regierungssprecher Scott McClellan am Mittwoch. "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Die Demokratie schlägt Wurzeln und es gibt keinen Weg zurück." Trotz aller Differenzen mit Bush stimmt Kerry der Regierung zu: "Diese schrecklichen Anschläge rufen uns die Bösartigkeit der Feinde der irakischen Zukunft in Erinnerung. Vereint in unserer Trauer sind wir auch vereint in unserer Entschlossenheit, dass diese Feinde nicht siegen dürfen."
Der amerikanische Militäreinsatz in Somalia kostete insgesamt 36 US-Soldaten das Leben. In Irak wurden seit Kriegsbeginn am 20. März 2003 mindestens 597 US-Soldaten getötet.