Irak-Konferenz Tischgespräch zwischen "Todfeinden"

Ob Colin Powell wusste, wen er beim Abendessen als Tischnachbarn haben wird, ist nicht klar. Während der Irak-Konferenz in Ägypten führte der US-Außenminister ein "höfliches" Gespräch mit seinem iranischen Amtskollegen Kamal Charrasi.

Auf ägyptische Initiative haben US-Außenminister Colin Powell und sein iranischer Amtskollege Kamal Charrasi während der Irak-Konferenz in Scharm al-Scheich ein längeres Gespräch geführt. Wegen des Konflikts um das iranische Atomprogramm ist es zwischen den beiden Staaten seit Jahren nicht mehr zu einem Kontakt auf solch hochrangiger Ebene gekommen.

Arrangierte Tischordnung

"Während des Abendessens haben der Minister und der iranische Außenminister ein höfliches Tischgespräch geführt", sagte ein hochrangiger Vertreter des US-Außenministeriums in der Nacht zum Dienstag. Politische Themen wie der Atomkonflikt und die Entwicklung im Irak gälten allerdings nicht als Inhalte eines höflichen Tischgesprächs, fügte er hinzu. Es war nicht klar, ob Powell im Voraus wusste, wen er beim Abendessen als Tischnachbarn haben wird. Die Tischordnung sei von den ägyptischen Gastgebern so arrangiert worden, sagte der Vertreter.

Die USA hatten in der vergangenen Woche angedeutet, dass es am Rande der Irak-Konferenz möglicherweise zu einem Kontakt mit dem Iran komme. Powell könne dabei Gelegenheiten finden, die US-Bedenken im Hinblick auf das iranische Atomprogramm und die Rolle des streng moslemischen irakischen Nachbarn in der Region "auf direkterem Wege" zu äußern.

Die USA haben ihre diplomatischen Beziehungen zu der Islamischen Republik im Zusammenhang mit der Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran 1980 abgebrochen und unterhalten seither nur sporadische Kontakte. Sie verdächtigen das Land, Atomwaffen entwickeln zu wollen. Der Iran beharrt auf dem zivilen Nutzen der Kernkraft.

Konferenz wird in großer Runde fortgesetzt

Nachdem am Montagabend zunächst die Nachbartstaaten des Irak zu einem vertraulichen Treffen hinter verschlossenen Türen zusammengekommen waren, werden am zweiten Tag der Konferenz auch die Außenminister der G-8-Staaten, UN-Generalsekretär Kofi Annan und die Chefs der Arabischen Liga sowie der Organisation der Islamischen Konferenz dazu stoßen. Dabei soll eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden, die die Übergangsregierung in Bagdad ermutigt, die allgemeinen Wahlen bis Ende Januar abzuhalten.

Im Mittelpunkt des ersten Treffens am Montagabend standen Sicherheitsfragen und die für den 30. Januar geplanten Wahlen. Bereits zuvor waren jedoch hinsichtlich der Wahlen tiefe Differenzen zwischen den Teilnehmern deutlich geworden. Die Amerikaner sowie der Außenminister der irakischen Übergangsregierung, Hoschiar Sebari, zeigten sich optimistisch. Sebari erklärte, am 30. Januar als Wahltermin sei nicht zu rütteln. Andere Delegationen warnten dagegen, wer kritische Stimmen im Irak nicht anhören wolle, bereite damit den Boden für neue Gewalt.

In einem offenen Brief irakischer Oppositionsgruppen an die Delegierten, der in Scharm al-Scheich verteilt wurde, hieß es: "Wir fordern die Verschiebung der Wahlen auf eine Zeit, in der die Bedingungen dafür gegeben sind". Die Oppositionellen nannten den Kampf gegen die Besatzungsmacht legitim und forderten die Bekanntgabe eines Zeitplans für einen US-Truppenabzug unter UN-Aufsicht.

Fischer setzt auf "neue Legitimation" durch Wahlen

Bundesaußenminister Joschka Fischer nannte bei seiner Ankunft in Scharm al-Scheich die Wahlen im Irak "sehr entscheidend" für einen gesellschaftlichen Konsens in dem verwüsteten Land. Der politische Prozess müsse "so breit wie möglich angelegt werden", sagte Fischer. Keine Gruppe dürfe ausgeschlossen werden. Über die Wahlen müsse eine "neue Legitimation" erreicht werden, um wirksam gegen den Terrorismus vorgehen zu können.

In einer gemeinsamen Erklärung der Konferenz soll am Dienstag außerdem jede Form der Gewalt gegen Zivilisten verurteilt werden, von Angriffen auf Soldaten ist in dem bisher kursierenden Entwurf dagegen nicht die Rede. Außerdem wird die Einberufung einer Irak-Konferenz unter UN-Schirmherrschaft angeregt, zu der dann auch Gruppen zugelassen werden, die in Opposition zur Übergangsregierung stehen.

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