US-Armee nimmt Saddams Machbasis in Tikrit ins Visier
Nach dem Fall Bagdads haben die US-geführten Streitkräfte das Nervenzentrum des irakischen Sicherheitsapparats, die Stadt Tikrit, ins Visier genommen. Gleichzeitig trieben die USA die Vorbereitung für eine Nachkriegsordnung voran.
Während in der Nacht zum Donnerstag die Hauptstadt zum ersten Mal seit drei Wochen von Bomben verschont blieb, war das 175 Kilometer weiter nördlich gelegene Tikrit - die Geburtsstadt von Präsident Saddam Hussein - massiven Luftangriffen ausgesetzt. Dessen Schicksal blieb weiter unklar.
Widersprüchliche Gerüchte über Saddams Schicksal
In Bagdad gingen widersprüchliche Gerüchte über den Verbleib Saddams um: Er sei tot, verwundet, am Leben, habe sich nach Syrien abgesetzt oder verstecke sich in der russischen Botschaft, hieß es. Russland wies die Gerüchte um seine Botschaft zurück. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, zwar seien Regierungsanhänger auf der Flucht nach Syrien, jedoch keine hochrangigen.
US-Truppen durchsuchen Bagdader Moschee nach Saddam
US-Marineinfanteristen haben dem britischen Sender BBC zufolge nach einem Feuergefecht eine Moschee in Bagdad durchsucht, die sie für ein mögliches Versteck von Iraks Präsident Saddam Hussein hielten.
"Die Marineinfanteristen wurden angegriffen - vermutlich von Einheiten der Speziellen Republikanischen Garden - als die Sonne über dem Fluss Tigris aufging", berichtete der BBC- Korrespondent David Willis am Donnerstag auf der Website des Senders. Bei dem halbstündigen Gefecht sei ein US-Soldat getötet worden. Nach der Einnahme der irakischen Hauptstadt ist das Schicksal Saddams unklar. Die Garden gelten als äußerst loyale Elitetruppen des Präsidenten.
Bagdad war am Mittwochabend noch nicht völlig unter Kontrolle der US-Truppen. Bei Einbruch der Dunkelheit war vom westlichen Ufer des Tigris Artilleriefeuer zu hören. In der Nacht kam es im Nordosten der Stadt zu neuen Gefechten zwischen US-Marineinfanteristen und regierungstreuen Verbänden. Soldaten berichteten von Luftabwehrfeuer gegen US-Kampfflugzeuge, die die US-Einheiten unterstützen. Am Donnerstagmorgen waren nur noch vereinzelte Schüsse zu hören. Die US-Einheiten zogen ohne große Gegenwehr durch das Armenviertel Saddam-Stadt im Nordosten. "Uns gehen die Kampfgebiete aus", sagte ein Marineinfanterist.
Aus Tikrit stammen neben Saddam auch die wichtigsten Mitglieder von Saddams Machtapparat. Das US-Militär teilte am Mittwoch mit, es gebe im Norden vermutlich noch etwa zehn Divisionen der irakischen Armee sowie bis zu einer Infanterie-Brigade Elitetruppen. US- Generalstabschef Richard Myers sagte, sie würden weiter bombardiert.
Die Zeitung "Washington Post" berichtete am Donnerstag unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise, das plötzliche Fehlen der Führungsspitze am Vortag deute auf einen geplanten Rückzug auf Befehl Saddams hin, vielleicht in Richtung Tikrit oder nach Syrien. "Plötzlich fand keine Kommunikation mehr statt und das Regime erschien nicht zur Arbeit", hieß es.
Kurdische Kämpfer, unterstützt von kleineren US-Einheiten, bereiteten sich unterdessen auf Angriffe auf die Städte Kirkuk und Mossul im ölreichen Norden vor, die auch unter US-Bombardement lagen. "Wenn Gott es will, werde ich morgen in Kirkuk stehen", sagte ein kurdischer Kämpfer am Mittwoch, als er vom Fall Bagdads erfuhr. Kurdische Kommandeure betonten dagegen, dass sie nicht eigenmächtig vorrücken würden. Die Türkei befürchtet die Entstehung eines unabhängigen Kurdenstaats, der Begehrlichkeiten der eigenen kurdischen Minderheit wecken könnte.
Differenzen zwischen irakischen Oppositionellen
Der Chef der Oppositionsgruppe Irakischer Nationalkongress, Ahmed Chalabi, sagte, er werde sich am Samstag mit anderen irakischen Oppositionellen außerhalb der irakischen Stadt Nassirijah auf einem Stützpunkt treffen, um über die Zukunft des Landes zu sprechen. Die USA hätten etwa 43 Iraker - davon 14 ehemalige Exil-Iraker - bestimmt, die teilnehmen sollten. Eine große schiitische Oppositionsgruppe kündigte an, sie werde das Treffen boykottieren.
Im US-Sender CNN kritisierte Chalabi, dass der designierte US-Chef der Zivilverwaltung, Jay Garner, noch nicht im Irak sei. "Wo ist General Garner jetzt?" frage er. "Warum sind sie nicht hier? Warum sind sie in Kuwait?" Ein US-Präsidialamtssprecher wies die Kritik zurück. Chalabi und die übrige Welt müssten verstehen, dass im Irak noch Krieg herrsche, sagte er. Chalabi galt früher als engster US-Verbündeter unter den Exil-Irakern, ist jedoch zunehmend in die Kritik geraten. Der US-Geheimdienst CIA hat ihn als ungeeignet für die Landesführung eingestuft.
Nach Angaben der Alliierten sind im Irak-Krieg bislang 101 US- und 30 britische Soldaten getötet worden. Die USA sprachen von 399 verwundeten, elf vermissten und sieben gefangen genommen Soldaten. Die Zahl der Opfer auf irakischer Seite ist unbekannt. Schätzung gehen von tausenden Toten aus.