Oppositionsführer Mir-Hussein Mussawi wird nach eigenen Angaben von der Regierung zunehmend unter Druck gesetzt, seine Forderung nach einer Annullierung der umstrittenen Präsidentschaftswahl aufzugeben. Er solle seine Vorwürfe des Wahlbetrugs fallenlassen und werde auch zunehmend abgeschirmt, hieß es am Donnerstag auf der offiziellen Website des Politikers. Sein Zugang zum Volk sei "völlig eingeschränkt", und er werde zunehmend der Verbrüderung mit dem Ausland bezichtigt.
Mussawi will dem Druck jedoch nicht nachgeben und Ahmadinedschads Sieg nicht anerkennen. "Es kann keine Lösung sein zu erwarten, dass ich etwas äußere, woran ich nicht glaube", erklärte er auf seiner Website. Mussawi zufolge hat es bei Präsidentenwahl am 12. Juni massiven Wahlbetrug gegeben. Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad wurde mit überraschend großer Mehrheit zum Sieger erklärt, was landesweit zu Massenprotesten führte.
Diese sind in den letzten Tagen allerdings angesichts der Übermacht der Sicherheitskräfte abgeebbt, doch hinter den Kulissen nimmt der Konflikt an Schärfe zu. Der britische Sender BBC berichtete am Donnerstag, etwa 100 von 290 eingeladenen iranische Abgeordnete hätten aus Protest eine Siegesfeier Ahmadinedschads boykottiert. Ein BBC-Korrespondent wertete dies als Zeichen eines tiefen Risses in der iranischen Führung. Beobachter in Teheran wiesen allerdings auch darauf hin, dass viele Abgeordnete zurzeit in ihren Heimatprovinzen seien.
Der prominenteste regierungskritische schiitische Geistliche, Ayatollah Hussein Ali Montaseri, warnte die Behörden unterdessen, dass eine gewaltsame Unterdrückung der Proteste keine langfristige Lösung sei. Wenn die Menschen ihre Forderungen nicht friedlich vortragen dürften, "könnte dies das Fundament jeder Regierung zerstören", hieß es in einer Mitteilung des Ayatollah. Angesichts der Vorwürfe des Wahlbetrugs hat Montaseri bereits zuvor eine unabhängige Untersuchung gefordert.
Nach Angaben der Opposition wurden 70 Hochschulprofessoren nach einem Treffen mit Mussawi festgenommen. Wie Mussawis Website berichtete, wurden die Akademiker am Mittwochabend abgeführt. Über ihren Verbleib sei nichts bekannt. Beobachter werteten die Festnahmen als weiteres Zeichen eines verschärften Vorgehens der Behörden gegen die Oppositionsbewegung. Seit Beginn der Proteste wurden bereits Hunderte Demonstranten festgenommen. In den vergangenen Tagen wurden die Proteste Augenzeugenberichten zufolge von den Sicherheitskräften mit harter Hand niedergeschlagen.
Ein vom ebenfalls unterlegenen Oppositionskandidaten Mehdi Karubi für Donnerstag geplanter Trauermarsch für die Opfer der Proteste wurde abgesagt. Die Regierung hatte den Protestzug nicht gestattet, wie eine Karrubi nahestehende Website berichtete. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich solidarisch mit den friedlichen Demonstranten im Iran. "Wir stehen an ihrer Seite", sagte Merkel zu Beginn der Islam-Konferenz in Berlin. Es sei unverzichtbar, darauf hinzuweisen, "dass die Freiheit zur Demonstration etwas ganz Wichtiges ist".
Präsident Ahmadinedschad wies Kritik am Umgang mit den Protesten aus dem Westen unterdessen zurück. In Bezug auf US-Präsident Barack Obama sagte er laut dem staatlichen Fernsehen, dieser setze sich angeblich für einen Wandel ein, folge nun aber der gleichen Politik wie sein Vorgänger George W. Bush.
Die US-Regierung zog derweil Einladungen an iranische Diplomaten zur Teilnahme an Feiern zum amerikanischen Nationalfeiertag wieder zurück. "Im Lichte der ungerechten Aktionen" gegen die Oppositionsbewegung in Teheran wäre eine Teilnahme iranischer Diplomaten am 4. Juli nicht angemessen, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton. "Leider haben sich die Umstände geändert." Allerdings hatte bisher kein iranischer Diplomat eine solche Einladung angenommen.
AP/DPA