Italien Silvio Berlusconi beweist seine Stärke

Nur wenige Monate vor den Wahlen hat der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein neues Wahlrecht durchgesetzt, maßgeschneidert nach seinen Interessen. Mit dem Coup hat er die eigenen Reihen geschlossen und die Opposition ins Schlingern gebracht.

Silvio Berlusconi stand gerade noch mit dem Rücken zur Wand: Brüssel geißelte Italiens Haushaltspolitik, die eigenen Bündnispartner rebellierten, das Volk murrte, die Opposition triumphierte voreilig. Die Mitte-Rechts-Koalition schien dem Ende nahe und ein Regierungswechsel im Frühjahr 2006 in Sicht zu sein.

Doch mit der Rückkehr vom Mehrheits- zum Verhältniswahlrecht werden die Karten neu gemischt. Berlusconis schärfster Gegner im eigenen Lager, der Chef der Christdemokraten Marco Follini, ist jetzt zurückgetreten. Follini hatte öffentlich Berlusconis Führungsanspruch angezweifelt und die Wahlreform bekämpft. Denn die neuen Abstimmungsregeln begünstigen Berlusconis Sammelpartei, Forza Italia. Es genügt fortan die einfache Mehrheit, um dank eines Bonus 340 von 618 Sitzen der Abgeordnetenkammer zu erhalten.

Prodi muss sich neu erfinden

Oppositionsführer Romano Prodi, der zuletzt siegesgewiss mit einem knallgelben Wahlkampf-Lastwagen durchs Land tourte, muss sich nun neu erfinden. Er wird als einzig denkbarer Kandidat gehandelt, der die neun Parteien der Linken zusammenhalten kann. Doch als Parteiloser hat er nach neuem Wahlrecht kaum Chancen. Die Linke droht wieder einmal in ihre alten inneren Zwistigkeiten zurückzufallen.

Kritiker sehen in dem neuen Wahlgesetz, das noch die zweite Kammer, den Senat, passieren muss, einen Amtsmissbrauch. Erst vor zwölf Jahren hatten die Italiener mit überwältigender Zustimmung per Volksentscheid für das Mehrheitsprinzip gestimmt. Berlusconi selbst war ein Verfechter, um sich so dem Volk als Modernisierer präsentieren zu können.

Die Regierungen wurden in der Tat stabil. Berlusconi wird voraussichtlich der erste Regierungschef sein, der die fünf Jahre dauernde Legislaturperiode bis zum Ende durchhält. Doch das zweite Übel des italienischen politischen Systems, die Vielzahl der Parteien, blieb bestehen. Derzeit üben rund zwanzig kleine Parteien viel zu großen Einfluss im Parlament aus.

Weitere Zersplitterung befürchtet

Der Politikwissenschaftler Giovanni Sartori befürchtet, dass das Parteienspektrum weiter zersplittert. Die im neuen Gesetz vorgesehene 2-Prozent-Klausel wird dem nicht entgegenwirken können. Mit der Folge, dass künftig die Koaltionen aus vielen ganz unterschiedlichen Parteien gebildet werden müssen. Und jeder noch so kleine Koalitionspartner jederzeit drohen kann, die Regierung zu stürzen.

Das würde für Italien einen Rückfall in die alten Zeiten der "partitocrazia", der Parteienherrschaft, bedeuten. Mit dem Unterschied, dass damals Ineffizienz und Staatsverschuldung ungescholten durchgingen. Wenn die Wirtschaft erlahmte, wurde einfach die Lira abgewertet. Heute muss sich Italien den EU-Auflagen beugen.

Luisa Brandl