So ungefähr muss James Comey geguckt haben, bei dieser denkwürdigen Begegnung mit Donald Trump vergangenen Januar im Weißen Haus: Kiefer zusammengepresst, der Blick geradeaus, Schultern nach hinten, Brust raus. Damals war Comey FBI-Direktor und allein mit dem neugewählten Präsidenten Donald Trump, der ihn per Telefon zu einem Abendessen in Weiße Haus bestellt hatte. Der Präsident sagte: "Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität von Ihnen". Und James Comey gibt zu Protokoll: "Ich bewegte mich nicht, ich sprach nicht, ich verzog keine Miene während der angespannten Stille, die dann folgte. Wir starrten uns beide schweigend an."
Jetzt ist er ehemaliger FBI-Direktor, aber diesen Blick hat er noch drauf: Mit neutralem Gesichtsausdruck richtet er seinen Stuhl aus, schiebt die zwei Gläser Wasser vor sich in eine Reihe, lehnt das mitgebrachte Ledermäppchen rechtwinklig an die Tischkante und verzieht keine Miene, während das Blitzlichtgewitter über ihn niedergeht, kurz vor der Anhörung des Geheimdienstausschusses, die live übertragen und seit Tagen von Millionen Amerikanern erwartet wird wie sonst nur das Superbowl-Finale.
In wenigen Minuten wird der ehemalige Direktor des FBI unter Eid aussagen, dass der amerikanische Präsident gelogen hat, dass der amtierende Präsident versucht hat, Ermittlungen zu ersticken gegen seinen Sicherheitsberater Flynn. Er wird unter Eid aussagen, dass es für ihn keinen Zweifel daran gibt, dass russische Behörden versucht haben, die amerikanischen Wahlen in ihrem Sinne zu beeinflussen, er wird unter Eid aussagen, dass mehrere ranghohe Trump-Mitarbeiter Kontakte zu Vertretern Russlands hatten und dass sie darüber gelogen haben. Er wird gefragt werden, ob es Erkenntnisse darüber gibt, ob Trump selbst heimlich mit den Russen zusammengearbeitet habe, und er wird nicht einfach mit "nein" antworten. Sondern er wird sagen, dass er in öffentlicher Sitzung dazu nichts sagen kann.
Comey weiß, wer lügt, und kann niemandem vertrauen
Es geht um Amerika. Es geht nicht mehr darum, wer die Wahl gewonnen hat. Es geht um das prinzipielle Vertrauen, dass die Institutionen funktionieren, dass Wahlen Sinn machen, dass die Wähler oder die Gewählten nicht Marionetten fremder Mächte sind. Es geht um die Demokratie in Amerika. Zumindest darin sind sich alle in dieser Anhörung einig. Nach dreieinhalb Stunden ist der öffentliche Teil vorbei. Ein in den vergangenen Monaten schon abgehärtetes, um nicht zu sagen abgestumpftes Amerika hat wunderliche, seltsame Dinge erfahren. Es hat einen FBI-Direktor erlebt, der sich wünscht, er wäre an jenem Abend im Januar lieber mit seiner Frau essen gegangen als mit dem Präsidenten. Den Chef einer der mächtigsten Behörden Amerikas, der niemandem mehr traut: nicht seinem Präsidenten, von dem er weiß, dass er lügt, nicht seinem Justizminister, von dem er weiß, dass er mehr Treffen mit den Russen hatte, als er zugegeben hat, nicht seinen eigenen Agenten, vor denen er die Aufforderungen des Präsidenten geheimhält, damit sie keine Angst bekommen die Untersuchungen weiterzuführen.
Trump ist der Boss von Amerika. Denkt er. Er macht, was in Mafia-Filmen Bosse tun. Er verlangt Treue. Wenn er gibt, will er etwas dafür zurück. Wer Macht hat oder ein Amt soll es von seinen Gnaden haben. Wer ihm treu ist, wird belohnt werden. Wer nicht treu ist, fliegt. James Comey kommt aus einer anderen Welt. Aus einer Welt, die nicht unpolitisch ist sondern überparteilich. Mit Männern (und wenigen Frauen), die sich als unabhängig verstehen. Die sich von niemandem etwas sagen lassen. Die an nichts als die Gesetze gebunden sind, die die Verfassung schützen sollen, und das auch zur Not gegen den Präsidenten. So sagen die einen. Die ein Staat im Staate sind, mächtiger als die gewählten Politiker, die ihre eigene Agenda haben. So sagen die anderen.
"Ich war einfach schockiert und erstaunt"
Warum Comey nach jedem Treffen mit dem Präsidenten ausführliche Memos anfertigte, die, fast literarisch, auch Körpersprache, Sitzordnung und Stimmungen beschreiben, wird Comey gefragt. Das habe mit dem Charakter des Präsidenten zu tun, und weil er wusste, oder besser: spürte, dass er diese Notizen einmal würde brauchen werden, antwortet Comey. Warum er dem im Amt unerfahrenen Präsidenten nicht einfach gesagt habe, dass er sich mit dem FBI-Direktor nicht unter vier Augen treffen kann, um Absprachen zu treffen? "Wäre ich stärker gewesen, hätte ich es vielleicht getan" antwortet Comey, "ich war einfach schockiert und erstaunt".
Warum er dem Präsidenten nicht gesagt habe, dass es unangemessen sei, Treue zu verlangen? "Er ist der Präsident. Ich habe nur gedacht: Pass auf, was du sagst", antwortet Comey. Und dass er, nach seiner Entlassung, seine Memos über einen Freund einem Reporter zukommen ließ? "Er waren keine geheimen Dokumente", sagt Comey. "Das Weiße Haus hat falsche Nachrichten über den Inhalt unserer Gespräche verbreitet. Ich wollte, dass die Wahrheit ans Licht kommt." Warum dann der Umweg über den Freund? "Ich wollte nicht, dass die Journalisten mein Haus belagern. Das ist wie Möwen füttern am Strand."
Wir müssen die ganze Geschichte herausfinden, sagt eine Senatorin. Und wenn eines sicher ist nach dieser Anhörung, dann dies: Er werden mehr Dinge ans Licht kommen, die noch vor Monaten undenkbar schienen. Und es wird noch lange dauern.