Japan "Unsere Lebensadern sind abgeschnitten"

Häuser stürzten ein, Straßen brachen auf und Züge entgleisten. Mindestens 18 Menschen starben und etwa 1500 Menschen wurden verletzt. Hunderte Nachbeben erschütterten nach dem ersten Erdstoß die Provinz Niigata.

Zeitweise waren in der ländlichem Region fast 300.000 Haushalte ohne Strom. Das Telefonnetz brach zusammen. Das Beben liege jenseits der Vorstellungskraft, was das Ausmaß der Zerstörung und die Angst der Menschen angehe, sagte der japanische Ministerpräsident Junichiro Koizumi.

"Unsere Lebensadern sind abgeschnitten. Weder die Toiletten funktionieren, noch haben wir Gas oder Strom und es war kalt vergangene Nacht", sagte der 57-jährige Toshiro Hosoya der Nachrichtenagentur Reuters. Insgesamt seien 67.000 Menschen in Schulen und andere öffentliche Gebäude in Sicherheit gebracht worden, berichte der japanische Sender NHK. Tausende Menschen verbrachten die Nacht trotz sinkender Temperaturen im Freien. Mehrere Erdrutsche lösten sich und schnitten ein Dorf mit 600 Einwohnern von der Außenwelt ab. Soldaten versuchten, eine verschüttete Mutter und ihren Sohn aus den Erdmassen zu bergen, die Männer bahnten sich mit Hilfe von Kettensägen ihren Weg durch das Geröll.

Hunger, Kälte und Warten auf Rettung

In der Stadt der 40.000-Einwohner-Stadt Ojiya, einem Zentrum der japanischen Textilindustrie, präsentierte sich ein Bild der Zerstörung. Das Beben hatte den Untergrund der Bahngleise wegsacken lassen. Über einem riesigen Erdkrater hingen die Schienen haltlos in der Luft. Durch das Beben obdachlos gewordene Menschen machten sich bei fünf Grad Außentemperatur auf den Straßen die Suche nach etwas Essbarem. In Tokio richtete die Regierung indes einen Krisenstab ein und organisierte Transporte mit Reis, Wasser und Brot in den gebirgigen Norden der Insel.

In einem durch Erdrutsche abgeschnittenen Teil Ojiyas haben die Bewohner in riesigen Lettern "SOS" auf die Straße geschrieben. "Mir ist kalt, mir ist kalt", jammerte ein in eine rote Decke gehülltes Mädchen, bevor sie mit Hubschraubern ausgeflogen wurde. In den überfüllten Krankenhäusern drängten sich die Verletzten, manche wurden auf den Fluren behandelt.

Das Beben war das stärkste Erdbeben in der Region seit mehr als 70 Jahren. Experten zufolge hätte ein vergleichbares Beben in der dicht besiedelten Region um Tokio 7000 Menschen getötet. Die Behörden fürchteten weitere Erdrutsche in Regionen, in denen der Boden nach dem Taifun in dieser Woche durch heftige Regenfälle aufgeweicht ist. Bei dem jüngsten von zehn schweren Wirbelstürmen in diesem Jahr waren in Japan 75 Menschen ums Leben gekommen.

Japan zählt zu den seismisch aktivsten Regionen der Welt. Die Erde bebt dort etwa alle fünf Minuten. Noch immer sind die Erinnerungen an das Starke Erdbeben im Jahr 1995 lebendig, durch das in der westjapanischen Industriemetropole Kobe mehr als 6400 Menschen starben.

Reuters