Wirklich überraschend kommen die ersten Amtshandlungen von Javier Milei nicht. Mit einer Kettensäge in der Hand warb Argentiniens neuer Präsident im Wahlkampf dafür, Sozialausgaben zusammenzustreichen und den Staat radikal umzubauen. Selbst viele seiner Anhänger dürften die Pläne des selbsternannten "Anarchokapitalisten" für Marktschreierei gehalten haben. Doch nicht einmal zwei Wochen nach seinem Amtsantritt wird deutlich: Der rechtspopulistische Wirtschaftsliberale macht ernst mit seiner angekündigten "Schocktherapie".
In den ersten Tagen nach seiner Machtübernahme hat Mileis Regierung den Kurs des Peso um die Hälfte abgewertet und damit die Lebenshaltungskosten der 46 Millionen Argentinier auf einen Schlag verdoppelt. Gleichzeitig wurden die Subventionen für Energie und Verkehr gekürzt und staatliche Bauaufträge eingestellt – auch diese Maßnahmen treffen vor allem lohnabhängige Angestellte. Zudem sollen alle Staatsangestellten entlassen werden, die seit weniger als einem Jahr beschäftigt sind. Wirtschaftsminister Luis Caputo rechtfertigte die Kürzungen mit der "Sucht" nach staatlichem Geld und der Korruption im Land.
Tatsächlich leidet Argentinien schon lange unter einer Wirtschaftskrise und der vierthöchsten Inflation weltweit. Allein in diesem Jahr sind die Preise um 160 Prozent gestiegen, bis Jahresende soll die Teuerungsrate der Zentralbank zufolge auf 185 Prozent steigen. Zugleich schrumpft das Bruttoinlandsprodukt massiv. Die radikale Abwertung der Landeswährung und die Sparmaßnahmen der neuen Regierung verschärfen die Lage weiter, vor allem für die 40 Prozent der Bevölkerung, die jetzt schon unter der Armutsgrenze leben.
Harter Kurs gegen Demonstranten
Große Proteste gegen die Sparpolitik der neuen Regierung gibt es bislang nicht. Doch auch auf diesen Fall hat Milei sich eingestellt. In einem präsidentiellen Erlass kündigte seine Innenministerin Patricia Bullrich Anfang der Woche ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten an: Straßenblockaden soll die Polizei demnach mit aller Härte auflösen. Wer Proteste organisiert, soll auch umweltrechtlich belangt werden können, etwa wegen brennender Mülltonnen. Ausländern, die sich an Protesten beteiligen, droht die Abschiebung. Zudem will die Regierung eine Liste aller Organisationen erstellen, die zu Demonstrationen aufrufen. Personen, die Kinder und Jugendliche zu Protestaktionen mitnehmen, droht der Erlass mit Sanktionen durch das Jugendamt. Doch Mileis Zug ins Autoritäre zeigt sich noch an anderer Stelle.
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So hat der neue Präsident, wie im Wahlkampf angekündigt, die Zahl seiner Ministerien von 18 auf neun halbiert. Abgeschafft hat er bezeichnenderweise die Ministerien für Bildung, Kultur, Arbeit und soziale Entwicklung. Das ehemalige Ministerium für Frauen, Geschlechter und Diversität untersteht jetzt einem neu geschaffenen Ministerium für Humankapital – auch dieser Begriff verweist auf das ultraliberale Wirtschaftsdenken Mileis. Mehr noch als den Abbau des Sozialstaates fürchten Mileis Kritiker aber seine Haltung zu der Militärdiktatur, die vor genau 40 Jahren mit der Rückkehr zur Demokratie endete.
Wie steht er zur Militärdiktatur?
Etwa 30.000 Menschen ließ die rechtsgerichtete Militärjunta ermorden, die Argentinien von 1976 bis 1983 beherrschte. Die Aufarbeitung dieser Verbrechen prägt die argentinische Gesellschaft bis heute, viele Täter wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Doch in den vergangenen Jahren sind auch jene Kräfte stärker geworden, die Folter, Morde und das "Verschwindenlassen" politischer Gegner durch die Militärs rechtfertigen und ein Ende der juristischen Verfolgung fordern. Auf welcher Seite Milei steht, scheint klar.
Noch vor dem Jahrestag des Endes der Diktatur am Sonntag hat ein Berufungskomitee Horacio Losito und Julio Rafael Barreiro aus der Haft entlassen. Die beiden Ex-Militärs waren für Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Ob die neue Regierung direkten Einfluss auf die Entscheidung genommen hat, ist nicht sicher.
Hauptsache, Mileis Hunden geht es gut
Fest steht aber, dass Mileis Vizepräsidentin Victoria Villarruel eine Anhängerin der Militärdiktatur ist. Ihr Vater kämpfte gemeinsam mit Horacio Losito 1982 im Falklandkrieg gegen Großbritannien. Nach seiner Haftentlassung ist eine Aufnahme von Losito aufgetaucht, in der er ausruft: "Es lebe die Freiheit, verdammt!" – einer von Javier Mileis Wahlslogans. Auch der rechtsgerichtete Anwaltsverein "Gerechtigkeit und Einheit" feierte die Freilassung Lositos auf X:
Doch während Javier Milei seine Landsleute auf harte Zeiten einschwört und mit leeren Kassen argumentiert, soll es seinen vier Hunden Murray, Milton, Robert und Lucas – benannt nach Vertretern der liberalen Wirtschaftstheorie – an nichts mangeln. Wie die argentinische Zeitung "Clarín" berichtet, sollen die Englischen Mastiffs in einem Anbau auf dem Gelände des Präsidentenpalastes Quinta de Olivos in Buenos Aires einziehen. Zuvor lässt Milei die "Hundehütte" allerdings umbauen und klimatisieren – für umgerechnet fast 109.000 Euro auf Kosten der Staatskasse.
Quellen: Nachrichtenagenturen dpa/AFP/Reuters / Tweet von Patricia Bullrich / Bericht auf pagina12.com / Bericht auf clarin.com