Leblos liegen die Körper nebeneinander, Rufe gehen wild durcheinander: Bei einer Massenpanik im Jemen sind nach Angaben der Huthi-Rebellen mindestens 78 Menschen ums Leben gekommen. Das sagte der Direktor der Gesundheitsbehörde in der Hauptstadt Sanaa, Mutahar al-Maruni, dem Rebellen-nahen Fernsehsender Al-Masirah in der Nacht zum Donnerstag. Unter den Toten seien Frauen und Kinder. Mindestens weitere 322 Menschen seien bei dem Tumult verletzt worden, so ein Mitarbeiter des Sicherheitsapparats der Rebellen. Den Huthis zufolge war es bei der Verteilung von Spenden am späten Abend zu einem tödlichen Gedränge gekommen.
Huthi-Rebellen: Händler haben "willkürlich" Geldspenden verteilt
Ein Sprecher des dortigen Innenministeriums erklärte der von den Huthis betriebenen Nachrichtenagentur Saba zufolge, einige Händler hätten ohne vorherige Koordinierung "willkürlich" Geldspenden verteilt. Daraufhin sei Panik ausgebrochen.
Augenzeugen beschrieben der Nachrichtenseite "Al-Masdar", wie zeitweise Schüsse zu hören waren. Diese sowie eine Explosion nach einem Kurzschluss soll die Panik gesteigert und schließlich zum Gedränge geführt haben. An einer Schule hätten sich vorher Hunderte versammelt, um Geldspenden eines bekannten Händlers zu erhalten. Einige örtliche Medien berichteten, die Huthis hätten die Schüsse abgegeben.
In Videos, die die Szenen nach dem Vorfall zeigen sollen, lagen zahlreiche Leichen aufgereiht am Boden. In einem Video war zu sehen, wie Dutzende Menschen sich unter lauten Schreien auf engstem Raum drängen, einige scheinen in der Masse dabei buchstäblich unterzugehen. Die Tragödie trug sich während des noch laufenden muslimischen Fastenmonats zu, wenige Tage vor dem islamischen Aid-al-Fitr-Fest stattgefunden, welches das Ende des Ramadan markiert.
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Mutmaßlich verantwortliche Händler festgenommen
Der Vorsitzende des Hohen Politischen Rats, Mahdi al-Maschat, forderte eine Aufklärung des Vorfalls. Ein dafür bestimmter Ausschuss traf laut einem Saba-Bericht noch am Abend am Ort des Vorfalls ein. Zwei mutmaßlich verantwortliche Händler wurden festgenommen. Das Huthi-Innenministerium beschuldigte sie, das Geld ohne Koordinierung mit dem Ministerium verteilt zu haben.
Der Ort des Unglücks wurde laut der Schilderung eines AFP-Reporters von Sicherheitskräften abgeriegelt. Sie verweigerten Menschen den Zutritt zu der Schule, wo sie nach ihren Verwandten suchen wollten. Videos in den Onlinenetzwerken zeigten Leichen auf dem Boden eines großen Gebäudekomplexes, während Menschen um sie herum schrien. AFP konnte die Echtheit der Aufnahmen jedoch nicht unabhängig verifizieren.
21 Millionen Menschen sind im Jemen auf humanitäre Hilfe angewiesen
Der Jemen liegt im Süden der Arabischen Halbinsel. Die schiitischen Huthi-Rebellen haben dort in ihrem seit 2014 laufenden Aufstand weite Teile des Nordjemens eingenommen und kontrollieren auch die Hauptstadt Sanaa. Die Rebellen werden vom mehrheitlich schiitischen Iran unterstützt. Saudi-Arabien kämpft seit 2015 mit Verbündeten an Seite der Regierung im Land gegen die Huthis.
In Jemen spielt sich vor allem bedingt durch die Folgen des Bürgerkriegs eine der schwersten humanitären Katastrophen weltweit ab. Etwa 21 Millionen Menschen sind auf irgendeine Form von humanitärer Hilfe und Schutz angewiesen.