Bei der Suche nach dem wegen Kriegsverbrechen angeklagten Serbenführer Radovan Karadzic ist den SFOR-Soldaten aus den eigenen Reihen ein Bein gestellt worden. Einmal mehr, so legen es mehrere Berichte aus dem Balkan-Gebiet nahe, hat der im Untergrund lebende Kriegsherr von einer bevorstehenden Festnahme erfahren und sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Französische Militärkreise - historisch Verbündete Serbiens - sehen sich erneut dem Verdacht ausgesetzt, sie verhinderten mit gezielten Informationen eine Verhaftung von Karadzic.
Die Friedenstruppe SFOR hat am Montag eine Ermittlung begonnen. »Das SFOR-Hauptquartier wurde über jüngste Medienberichte informiert und hat eine Untersuchung der Behauptungen begonnen«, sagte SFOR- Sprecher Major Scott Lundy in Sarajevo. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, »würden angemessene Maßnahmen ergriffen«. Vergeblich hatten SFOR-Soldaten am Donnerstag und Freitag versucht, Karadzic in den Bergen im Südosten Bosniens zu fassen.
»Ein französischer Offizier legte die Aktion offen«
Das »Hamburger Abendblatt« zitierte am Montag den amerikanischen Sonderbotschafter für den Balkan, Shaun Byrnes, mit den Worten: »Ein französischer Offizier legte die Aktion offen.« Das belegten auch Abhörprotokolle des Mobiltelefonverkehrs. Demnach telefonierte am Donnerstag um 06.26 Uhr ein französischer Hauptmann mit einem Offizier der bosnisch-serbischen Polizei in der Stadt Foca.
Der Polizeioffizier habe gefragt: »Was ist los? Warum fahrt ihr (die SFOR) die ganze Nacht hier rum?« Der französische Hauptmann habe geantwortet: »Foca und seine Umgebung ist immer für uns interessant, heute besonders.«
Der Serbe habe zurückgefragt: »Warum?« Die Antwort des Franzosen: »Das ist doch allgemein bekannt.«
Karadzic nun »vollkommen sicher«
Auch aus dem Umfeld von Karadzic hieß es am Montag, dieser habe rechtzeitig von einer geplanten Festnahme erfahren. Sein Vertrauter Miroslav Toholj sagte der in Montenegro erscheinenden Tageszeitung »Dan«, die Sicherheitsleute von Karadzic hätten über einen Umweg erfahren, dass etwas geschehen werde. So seien alle »notwendigen Maßnahmen« getroffen worden. Jetzt, so Toholj, sei Karadzic vollkommen sicher.
Schon 1997 soll ein französischer Offizier nach US-Berichten durch geheime Treffen eine Festnahme vereitelt haben. Der Major Herve Gourmillon habe Karadzic mehrfach getroffen, zitierten US-Medien Diplomaten. Das Verteidigungsministerium in Paris gab zu, ein Offizier habe während seiner Tätigkeiten »Beziehungen gehabt, die umstritten erscheinen können«.
Erst im Dezember wurde ein anderer französischer Major, Pierre-Henri Bunel, von einem Pariser Militärgericht wegen Verrats zu zwei Jahren Haft mit anschließender Bewährung verurteilt. Er hatte mögliche Angriffsziele des NATO-Bündnisses im Kosovo an den jugoslawischen Geheimdienst verraten, aus humanitären Gründen, wie er sagte.
Schon 1997 hatte die frühere Chefanklägerin des UN-Tribunals in Den Haag, Louise Arbour, in Paris den Verdacht geäußert, der südostliche, französische Sektor in Bosnien habe sich zu einem sicheren Rückzugsgebiet für gesuchte Kriegsverbrecher entwickelt. Sie sprach von »totaler Untätigkeit« und zog den Schluss, dass es sich um eine abgestimmt Politik handeln müsse.