Ketanji Brown Jackson zieht in turbulenten Zeiten in den Supreme Court ein. Der Oberste Gerichtshof der USA hat jüngst in einer höchst umstrittenen Entscheidung das seit fast 50 Jahren geltende landesweite Recht auf Abtreibungen gekippt. Die ideologischen Gräben an dem mächtigen Gericht in der Hauptstadt Washington erscheinen kaum überbrückbar.
Doch ungeachtet dessen ist der Amtsantritt von Jackson ein historischer Moment: Als erste schwarze Frau der US-Geschichte wird die 51-Jährige dem neunköpfigen Gericht angehören. Ihrer historischen Rolle ist sie sich bewusst: "Seit ich für diesen Posten nominiert wurde, habe ich so viele Botschaften und Briefe und Fotos von jungen Mädchen aus dem ganzen Land bekommen, die mir sagen, wie aufgeregt sie über diese Chance sind", sagte Jackson im Frühjahr vor dem Senat.
108 von 115 Richtern waren weiße Männer
Die derzeitige Bundesrichterin will damit mehr noch als bislang ein Vorbild für schwarze Mädchen werden, die von einer Justizkarriere träumen – und zeigen, dass im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten tatsächlich auch Afroamerikanerinnen ganz nach oben gelangen können.
Der Supreme Court war da bislang alles andere als ein glänzendes Vorbild: In seiner 233-jährigen Geschichte waren von 115 Richtern 108 weiße Männer. Zwei schwarze Männer schafften es bislang an den mächtigen Supreme Court, eine schwarze Frau dagegen noch nie.

Bis jetzt. Der US-Senat bestätigte die von Präsident Joe Biden nominierten Nachfolgerin des in den Ruhestand gehenden liberalen Verfassungsrichters Stephen Breyer, der am Donnerstag in den Ruhestand geht. Neben allen Senatoren von Bidens Demokraten stimmten auch drei Senatorinnen und Senatoren der oppositionellen Republikaner für Jackson.
Der Bestätigungsprozess im Senat im Frühjahr war für die Absolventin der Elite-Universität Harvard, die zuletzt als Richterin am Bundesberufungsgericht von Washington wirkte, aber alles andere als ein Spaziergang.
Vorwürfe von rechts entkräftet
Die oppositionellen Republikaner hatten die Senatsanhörungen als Wahlkampfbühne genutzt und der mit einem Chirurgen verheirateten Mutter von zwei Töchtern vorgeworfen, als Richterin zu milde Urteile gegen Kinderpornografie-Straftäter verhängt zu haben – eine von unabhängigen Faktenprüfern rasch entkräftete Anschuldigung.
Die Konservativen hatten Jackson auch als linke Aktivistin bezeichnet und versucht, sie in ihre Kulturkriege um Fragen wie Geschlecht, Sexualität und Schulunterricht zum Thema Rassismus hineinzuziehen, mit denen sie bei den Kongress-Zwischenwahlen im November punkten wollen.
Jackson aber hatte die Angriffe bei den Anhörungen mit stoischer Ruhe an sich abperlen lassen. Als "Meisterklasse" bezeichnete der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, ihr Auftreten. "Die Republikaner wollten einen Volltreffer landen. Aber Richterin Jackson ist cool geblieben."
Die Berufung an den neunköpfigen Supreme Court ist der Höhepunkt einer glänzenden Karriere. Die in Washington geborene und in Miami aufgewachsene Jackson kam schon als Kind mit Rechtsfragen in Berührung, als ihr Vater – ein Lehrer – ein Jura-Studium aufsattelte und am Küchentisch paukte. Die Eltern waren in der Zeit der Rassentrennung im Süden der USA aufgewachsen.
Sie verteidigte Guantanamo-Häftlinge
Nach ihrem eigenen Jura-Studium in Harvard arbeitete Jackson als Assistentin des Neu-Pensionärs Stephen Breyers – eben jenes Richters, den sie nun im Supreme Court beerben wird. Später arbeitete sie eine zeitlang als Pflichtverteidigerin und vertrat damit Mandaten, die sich keinen Anwalt leisten können. Darunter waren auch Insassen des berüchtigten Gefangenenlagers Guantanamo.
2013 wurde Jackson Bundesrichterin. Ihr vermutlich bekanntestes Urteil fällte sie 2019, als sie dem damaligen Präsidenten Donald Trump eine juristische Niederlage zufügte: Sie urteilte, dass hochrangige Regierungsmitarbeiter parlamentarischen Zwangsvorladungen nachkommen müssen, was Trump verhindern wollte. "Präsidenten sind keine Könige", schrieb Jackson in ihrer Urteilsbegründung. 2021 wurde die Richterin dann an das Bundesberufungsgericht in Washington berufen.
Ihr Aufstieg an den Supreme Court ist ein historischer Moment. An den Mehrheitsverhältnissen an dem Gerichtshof wird das aber nichts ändern. Den sechs konservativen Richtern – drei von ihnen wurden von Bidens Vorgänger Donald Trump ernannt – stehen nur drei liberale gegenüber. Mit der Aufhebung des Abtreibungs-Grundsatzurteils "Roe v. Wade" hat das "republikanische Lager" unter Beweis gestellt, dass sie gewillt sind, drastische Urteile zu fällen. Die Suche nach Ausgleich und Kompromissen hat ganz offenbar keinen Vorrang.