Kommandoaktion gegen Osama bin Laden Präsident Obamas stiller Triumph

US-Präsident Obama setzte bei der heiklen Kommandoaktion gegen Osama bin Laden alles auf eine Karte - und gewann. Der Tod des Terroristenchefs gibt ihm Rückenwind für den Präsidentschaftswahlkampf. Doch wie lange hält der vor?

Es war die Stunde des Präsidenten, doch er sonnte sich nicht im Augenblick des Triumphs. Ruhig, fast professoral verkündete Barack Obama seinen Landsleuten und der Welt, was die "New York Times" als größten Sieg für die Nationale Sicherheit in einem Jahrzehnt bezeichnete. Die gezielte Kommandoaktion einer US-Spezialeinheit gegen den meistgesuchten Terroristen der Welt schüttet im Nu tiefe politische Gräben in der amerikanischen Politik zu, das Land scheint geeint wie lange nicht mehr.

Obama hätte den tödlichen Schlag gegen Bin Laden nicht günstiger platzieren können. Trostlose Umfragewerte haben längst die "Yes we can"-Begeisterung von einst abgelöst, beim Waffengang in Afghanistan scheint es kaum voranzugehen, bei Libyen wurde ihm Zaudern angelastet. Eine blutarme Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit quälen das Land. Der mächtigste Mann der Welt schien hilflos.

Und nun: "Der Tod Bin Ladens ist sicherlich einer der entscheidendsten und bestimmenden Momente von Obamas Präsidentschaft", kommentierte die "New York Times". Selbst aus den Reihen der Republikaner, die sonst praktisch kein gutes Haar am Präsidenten und seinen Taten lassen, dringt hörbarer Applaus.

Denn es hätte auch alles schiefgehen können. Es gab keine Garantie, dass Bin Laden sich auf dem Gelände in Abbottabad auch wirklich aufhielt, und auch nicht, dass die Aktion nicht im Desaster endet wie die versuchte Geiselbefreiung im Iran vor drei Jahrzehnten. "Das kann sich der Präsident alles ans Revers heften", beglückwünschte der republikanische Vorsitzende des Geheimdienst-Ausschusses, Peter King, Obama nun am Montag. "Das hat eine Menge Schneid verlangt", meinte er. "Er ist der Oberbefehlshaber, er ist derjenige, der das Risiko auf sich nahm."

Von vorneherein hatte Obama klar gemacht, dass er sich auf den Krieg am Hindukusch konzentrieren will; den Waffengang seines Vorgängers George W. Bush im Irak lehnte er ab. Der Präsident weitete Geheimdienstoperationen im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan in den vergangenen Monaten erheblich aus und riskierte immer wieder erhebliche Verstimmung mit Islamabad.

Dennoch: "Es bleibt eine offene Frage, welchen dauerhaften Effekt der Tod Bin Ladens darauf haben wird, wie die Amerikaner Obama sehen", warnt die "New York Times", das neugewonnene politische Kapital zu überschätzen. Indes zweifelt niemand, dass konservative Kritik an der Entschlossenheit des Präsidenten, in Sicherheitsfragen eine harte Hand zu zeigen, künftig deutlich leiser ausfallen wird. Fraglos scheint aber auch, dass der Tod Bin Ladens in den Jahren 2002 oder 2003, als die Terroranschläge auf World Trade Center und Pentagon noch frischer in Erinnerung waren, weit wirkungsvoller gewesen wäre.

Allmählich kommt das Rennen um das Weiße Haus 2012 in Gang - bis zum Wahltag ist es noch lange hin. Gut möglich, dass der tödliche Schlag gegen den Terroristenchef bis dahin verblasst. In den vergangenen Jahren war Bin Laden in der öffentlichen Diskussion ziemlich in der Versenkung verschwunden. "Die Wahl 2012 wird sich wahrscheinlich zu großen Teilen um die Wirtschaft drehen, wobei sich die Wähler vor allem um Arbeitslosigkeit und hohe Spritpreise sorgen", schreibt die "New York Times" - und erinnert an die Präsidentschaft von George Bush senior, der zwar den ersten Golfkrieg gewann, die Wiederwahl 1992 aber dann in den Sand setzte.

US-Spitzenpolitiker wurden am Montag nicht müde, die Gefahren zu betonen, die nach dem Tod Bin Ladens nun lauern. Der Kampf gegen den Terror sei noch nicht vorbei, mahnte Außenministerin Hillary Clinton. Und CIA-Chef Leon Panetta hält es für "so gut wie sicher", dass es Vergeltungsschläge gegen die USA geben wird. Eine erfolgreiche Attacke gegen Amerika, befürchtet mancher, könnte Obamas Sieg gegen den Terror dann schnell in sein Gegenteil verkehren.

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Frank Brandmaier und Antje Passenheim, DPA