Konflikt im Libanon Die Friedensstifter

Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen: Alle Religionsgemeinschaften im Libanon sind gut bewaffnet und zum Kampf gegeneinander bereit. Eine säkulare Friedensbewegung will die Gewalt beenden.

Politische Konflikte werden im Libanon oft mit Waffen ausgetragen. Wer viele Feinde hat, muss jederzeit damit rechnen, dass ihm jemand eine Ladung Sprengstoff unters Auto legt. Wer in dieser Gesellschaft eine Friedensbewegung gründet, muss entweder ein großer Idealist sein oder aber sehr verzweifelt.

Auf George Azar, 32, trifft beides zu. Zusammen mit einer Gruppe von Freunden hat der Besitzer einer kleinen Marketingfirma vor zwei Wochen eine Vereinigung ins Leben gerufen, die sich "Maan" (Zusammen) nennt. Ihr Ziel ist es, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen, der durch den Dauerkonflikt der beiden politischen Lager entstanden ist. "Wenn wir nichts unternehmen, steuern wir geradewegs auf einen Bürgerkrieg zu", sagt Azar.

Auf der einen Seite steht in diesem Konflikt die pro-syrische 8.-März-Koalition der schiitischen Hisbollah, die vom Iran unterstützt wird. Zu dieser Allianz gehört auch die Bewegung des Christen-Generals Michel Aoun. Die notwendige Mehrheit, die sie für die Regierungsbildung brauchte, hat ihr 2011 die Partei von Drusen-Führer Walid Dschumblatt verschafft, der im Laufe seiner politischen Karriere schon mehrfach die Seite gewechselt hat.

Mit Laptops den Bürgerkrieg verhindern

Dem rivalisierenden Lager der sogenannten 14.-März-Koalition gehören ebenfalls Christen an, unter anderem die Anhänger des ehemaligen Staatspräsidenten Amin Gemayel und die Gruppe um den früheren Milizenchef Samir Geagea. Dominiert wird dieses Bündnis, das momentan in der Opposition ist, von der Zukunftsbewegung, die von dem 2005 ermordeten sunnitischen Politiker Rafik Hariri gegründet wurde. Die Koalition steht im Syrien-Konflikt auf der Seite der Regimegegner.

"Jeder kann über die Situation in Syrien denken, was er will, nur sollte er seine Meinung aufgrund politischer Überlegungen fällen und nicht, weil er einer bestimmten Religionsgruppe angehört", sagt Azar. "Unserer Bewegung gehören Schiiten, Christen, Sunniten und Drusen an", betont er. Azar klappt seinen Laptop auf und fügt sich damit perfekt ein in die Gesellschaft, die sich an diesem milden Novemberabend in einem Beiruter Coffee Shop eingefunden hat. Selbst die Besucher, die zu zweit oder in Gruppen an den kleinen Tischen sitzen, haben entweder ihren Computer vor sich oder das Handy am Ohr.

Azar ist Idealist, kein Träumer

Azar und seine Freunde sind Idealisten, aber keine Träumer. Sie wissen, dass sich der Libanon im Moment wieder einmal in einer Phase befindet, in der die Menschen aus Angst vor Gewalt Schutz bei ihrer Religionsgemeinschaft suchen. "Wir versuchen, ihnen zu sagen, dass sie gar keine Angst mehr haben müssten, wenn wir einen säkularen demokratischen Staat ohne religiöse Hass-Propaganda hätten, aber es ist schwer, die Menschen zu überzeugen." Am Sonntag wollen die Maan-Aktivisten in einem Park in Beirut demonstrieren "für einen zivilenStaat und einen dritten Weg jenseits der traditionellen Parteien".

Die Politiker der althergebrachten Parteien, die sich rund um die verschiedenen Polit-Dynastien des Landes gebildet haben, machen sich allerdings keine Sorgen, dass sie demnächst von dieser Protestbewegung hinweggefegt werden könnten. "Den Libanon wird der Arabische Frühling nicht erreichen. Hier wird sich nie wirklich etwas ändern", erklärt ein Angehöriger der Mannschaft von Ministerpräsident Nadschib Mikati. Und er hat Recht - zumindest was den Status Quo angeht. Die einzige echte Veränderung, die es im Regierungspalast in Beirut in den letzten Jahren gegeben hat, sind eine zusätzliche Rolle Stacheldraht vor dem Gebäude und die Einführung des Rauchverbotes.

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steh/Anne-Beatrice Clasmann, DPA