Ist der Krieg im Irak zu Ende, beginnt nicht nur die Mammutaufgabe des Wiederaufbaus. Die Alliierten müssen auch entscheiden, wie sie mit den tausenden irakischen Gefangenen umgehen wollen, die sich in Lagern hauptsächlich im Süden des Landes befinden. Experten sprechen von einer großen Herausforderung, die in diesem Ausmaß nicht erwartet worden sei.
Kriegsverbrecher identifizieren
Es geht zunächst darum, unter den Gefangenen jene zu identifizieren, die im Verdacht stehen, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Niemand hat mit so erbitterten Widerstand paramilitärischer Kräfte gerechnet. Und vor allem ihnen werfen die Alliierten vor, in vielen Fällen gegen international anerkannte Regeln des Krieges verstoßen und damit Kriegsverbrechen begangen zu haben. Damit könnten auf die USA derart viele Prozesse gegen Iraker zukommen, dass sie sich dann nach Expertenmeinung über Jahre erstrecken. Als Kriegsverbrechen gelten unter anderem der Missbrauch von Zivilisten als Schutzschilde, das Tarnen von Soldaten als Zivilisten und das Kämpfen von Hospitälern und Moscheen aus. Das sind Taktiken, die vor allem den regimetreuen Fedajin angelastet werden. Viele US- Experten meinen, dass die USA noch nie in einem Krieg derart häufig mit verbotenen Mitteln konfrontiert waren. "Ich glaube, dass uns dieser Krieg am Ende viel mehr Kriegsverbrecher beschert als der Zweite Weltkrieg mit all den Nazi-Verbrechen", sagt Rechtsprofessor Anthony D’Amato von der Northwestern University in Chicago mit Blick auf die seinerzeit rund 3000 Angeklagten.
Über 7 000 Iraker in Kriegsgefangenschaft
Über 7 000 Iraker sind nach Angaben der Alliierten in Kriegsgefangenschaft. Diejenigen, die - etwa auf Grund von Augenzeugenberichten - konkret als Kriegsverbrecher verdächtigt werden, sind gesondert untergebracht. In vielen Fällen ist aber die Lage nicht klar. Als Schutzmaßnahme gegen Guerilla-Attacken sind amerikanische Soldaten dazu übergegangen, ganze Gruppen von Zivilisten einzukreisen und sie festzuhalten, wenn es "auch nur vagen Grund zum Misstrauen gibt", wie ein US-Offizier sagte. Danach sind die Soldaten schon dann alarmiert, wenn Männer in Zivil auffallend wohl genährt aussehen.
Viele Gefangen vermutlich unbeteiligte Zivilisten
Vor diesem Hintergrund geht das US-Militär selbst davon aus, dass sich viele der Gefangenen als völlig unbeteiligte Zivilisten herausstellen werden. Daneben gilt es, "gesetzliche" und "gesetzlose Kämpfer" zu unterscheiden. Die erste Gruppe besteht aus den "durchschnittlichen irakischen Soldaten, die nach den geltenden Kriegsregeln gekämpft haben", wie Major Ted Wadsworth vom Pentagon es formuliert. Diese "normalen" Kriegsgefangene werden nach Ende der Kämpfe nach Hause geschickt. Die zweite Gruppe sind als Kriegsverbrecher verdächtigte Iraker, die vor US-Militärgerichte, Militärtribunale oder zivile Gerichte gestellt werden könnten.
Militärs nicht auf Ermittlungsarbeit vorbereitet
Die USA betonen, dass sie alle Iraker in ihrem Gewahrsam wie Kriegsgefangene - aber ohne offiziellen Gefangenstatus - behandeln, bis in Anhörungen gemäß Artikel 5 der Genfer Konvention entschieden ist, in welche Kategorie sie gehören. Diese Prozedur nach Kriegsende könnte nach Einschätzung von Experten allein schon Monate dauern. Militär-Rechtsanwälte betonen, dass mit Rücksicht auf mögliche Unschuldige alles getan werde, um die Anhörungen so rasch wie möglich abzuwickeln. Aber auch sie räumen ein, dass sie schlecht darauf vorbereitet seien. "Wir haben mit Massenkapitulationen gerechnet", sagt ein hoher Offizier, "aber nicht mit diesem Mist."