Großbritannien hat eine neue Premierministerin – die erst dritte überhaupt. Liz Truss, die bisherige Außenministerin, gewann die parteiinterne Abstimmung der britischen Konservativen über die Nachfolge von Boris Johnson, wie die Tory-Partei am Montagmittag mitteilte. Bis zu 200.000 konservativen Parteimitglieder konnten in den vergangenen Wochen per Brief oder online abstimmen, wer die neue Regierung anführen wird. Die 47-jährige Truss erhielt demnach 57 Prozent der Stimmen – ihr Rivale, der ehemalige Finanzminister Rishi Sunak kam auf 43 Prozent.
In ihrer ersten Rede direkt nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der Konservativen Partei bedankte sich Truss bei "ihrem Freund Boris". Johnson habe den Brexit erledigt, die Labour-Partei abgewehrt, für die schnelle Einführung des Corona-Impfstoffs gesorgt und sich gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin gestellt, sagte Truss in London.
Liz Truss verspricht schnelle Maßnahmen in Energiekrise
In ihrer Rede kündigte die designierte britische Premierministerin schnelle Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiekosten an. "Ich werde in der Energiekrise liefern, indem ich die Energierechnungen der Menschen angehe, aber mich auch den langfristigen Problemen mit der Energieversorgung annehme", sagte Truss. Zudem zeigte sich die bisherige Außenministerin überzeugt, dass die Ziele ihrer Partei von der Mehrheit der Briten unterstützt würden. Die Tories werden nach ihren Worten die für 2024 geplante Parlamentswahl gewinnen. "Wir werden liefern, wir werden liefern, wir werden liefern", betonte Truss. Umfragen sehen derzeit allerdings die oppositionelle Labour-Partei deutlich in Führung, die nach der Kür von Truss nicht an Kritik sparte.
Man habe von Truss weitaus mehr über eine Kürzung der Unternehmensteuer als über Erleichterungen für Privathaushalte gehört, sagte Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei und fügte hinzu: "Das zeigt, dass sie nicht nur abgehoben ist, sondern auch nicht auf der Seite der arbeitenden Bevölkerung steht." Truss müsse sich mit der Krise der Lebenshaltungskosten, mit dem maroden Gesundheitssystem sowie Kriminalität auseinandersetzen, forderte der Sozialdemokrat.
Auch der Chef der britischen Liberaldemokraten, Ed Davey, reagierte kritisch. Von Liz Truss sei mehr von den Krisen und dem Chaos zu erwarten, das bereits Boris Johnson gebracht habe, schrieb Davey auf Twitter. Es sei Zeit, eine Neuwahl einzuberufen. Etwas positiver klang die erste Reaktion der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon. "Glückwunsch an Liz Truss. Unsere politischen Differenzen sind groß, aber ich werde mich um ein gutes Arbeitsverhältnis mit ihr bemühen (...)", schrieb sie.
Glückwünsche kamen auch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit in diesen herausfordernden Zeiten", schrieb Scholz auf Twitter. "Das Vereinigte Königreich und Deutschland werden weiterhin eng kooperieren – als Verbündete und Freunde."
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Großbritannien: Neue Premierministerin wird Dienstag vereidigt
Liz Truss wird dem rechten Flügel der Tory-Partei zugeordnet. Im innerparteilichen Wahlkampf konnte die 47-Jährige vor allem mit dem Vorhaben überzeugen, trotz enorm hoher Inflation sofort die Steuern senken zu wollen. Außerdem sammelte sie bei der Parteibasis – die deutlich älter, männlicher und wohlhabender ist als der Durchschnitt der britischen Bevölkerung – Punkte mit einer konfrontativen Linie gegenüber der EU und populistischen Äußerungen zu Geflüchteten, Linken, Umweltaktivisten sowie gesellschaftlichen Minderheiten.
Bereits am Dienstag findet der Wechsel an der Spitze der britischen Regierung statt. Johnson wird sich ein letztes Mal als Premier an die Bevölkerung wenden und danach sein Amt abgeben. Sowohl er als auch Truss reisen danach nach Schottland und werden nacheinander von Queen Elizabeth II. empfangen, die auf ihrem Landsitz Schloss Balmoral ihren Sommerurlaub verbringt.