Massenproteste in Kiew Bürgermeister wegen Polizeigewalt abgesetzt

Wegen des brutalen Vorgehens gegen prowestliche Demonstranten ist der Bürgermeister von Kiew seines Amtes enthoben worden. Unterdessen wurden für Sonntag neue Massenproteste angekündigt.

Zehntausende Menschen haben am Samstag in Kiew für und gegen die ukrainische Regierung demonstriert. Die Anhänger von Präsident Viktor Janukowitsch versammelten sich auf dem Europaplatz im Zentrum der Hauptstadt - nur wenige hundert Meter vom Protestcamp der Regierungsgegner entfernt. Auf dem Unabhängigkeitsplatz harrten weiter tausende Oppositionsanhänger aus. Wegen des brutalen Vorgehens gegen prowestliche Demonstranten Ende November wurde der Kiewer Bürgermeister abgesetzt.

Die Stimmung in Kiew ist seit Wochen extrem angespannt. Der Unabhängigkeitsplatz wird von Anhängern der Opposition besetzt gehalten, die sich dort hinter Schneebergen, Sandsäcken, Fässern und Stacheldraht verbarrikadiert haben. Für Sonntag hat die Opposition zu einer weiteren Großkundgebung gegen Janukowitsch aufgerufen. Boxweltmeister Vitali Klitschko erwartete einen "Marsch der Millionen gegen den Präsidenten".

Nachdem ein Treffen zwischen der Opposition und Janukowitsch am Freitag ohne Ergebnis geblieben war, forderte Klitschko den Präsidenten erneut zum Rücktritt auf. Janukowitsch habe "noch immer nicht verstanden, dass seine Zeit vorbei ist". Ohne einen Rücktritt der Regierung könne es "keine Rückkehr zu normalen Verhältnissen geben", sagte Klitschko der "Bild"-Zeitung.

Bestellte Demonstranten?

Wenige hundert Meter von den Regierungsgegnern entfernt versammelten sich am Samstag die Anhänger des Präsidenten. Sie wurden von seiner Partei der Regionen auf dem Europaplatz zusammengerufen. Die Veranstalter erklärten gegenüber den Behörden, sie rechneten mit 200.000 Teilnehmern. Eine Polizeisprecherin sprach gegen Mittag von 60.000 Demonstranten. Die Opposition warf der Janukowitsch-Partei vor, Staatsbedienstete zur Teilnahme an der Demonstration zu zwingen. Auch die Grünen-Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck sprach von "bestellten Demonstranten".

Die Massenproteste in Kiew hatten begonnen, nachdem Janukowitsch ein mit der EU ausgehandeltes Assoziierungsabkommen kurz vor der geplanten Unterzeichnung Ende November auf Eis gelegt hatte. Die Opposition wirft ihm vor, sich von der EU abzuwenden und stattdessen die Anbindung an Moskau zu suchen. Großen Zulauf hatte der Protestbewegung ein brutaler Polizeieinsatz gegen die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz Ende November verschafft.

Bürgermeister entlassen

Wegen dieses Einsatzes wurde am Samstag der Bürgermeister von Kiew abgesetzt. Präsident Janukowitsch habe Bürgermeister Alexander Popow und den Vize-Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Wladimir Siwkowitsch, entlassen, teilte das ukrainische Präsidialamt mit. Die beiden hätten Druck auf den Kiewer Polizeichef ausgeübt, Gewalt gegen die Demonstranten einzusetzen, sagte Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka zur Begründung.

Russlands Außenminister Lawrow machte unterdessen "Provokateure" für die Massenproteste verantwortlich und unterstellte dem Westen mit Blick auf die Ukraine einen "Realitätsverlust". "Es gibt Straßenproteste von solchem Ausmaß und mit derart harten Parolen, als wenn die Regierung gegen den Willen der Bevölkerung einem friedlichen Staat den Krieg erklärt hätte", sagte Lawrow dem Sender Rossija 24.

Der massive Widerstand gegen die ukrainische Regierung passe nicht mit einer "normalen menschlichen Analyse" zusammen, sagte Russlands Chefdiplomat. "Ich habe keine Zweifel, dass Provokateure dahinter stecken. Die Tatsache, dass unsere westlichen Partner offenbar ihren Realitätssinn verloren haben, stimmt mich sehr traurig."

AFP
ivi/AFP