Sprecher im Repräsentantenhaus Mike Johnson nimmt das drittwichtigste Amt der USA ein: Wer ist der konservative Hardliner?

Mike Johnson wurde am Mittwoch als neuer Sprecher des US-Repräsentantenhauses eingeschworen
Im vierten Anlauf reichte es für den rechten Hardliner: Mike Johnson wurde am Mittwoch als neuer Sprecher des US-Repräsentantenhauses eingeschworen
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Die Republikaner haben es geschafft: Im vierten Anlauf wurde Mike Johnson zum neuen "Speaker" gewählt. Der Jurist gilt als unerfahren – hat aber im Vergleich zu anderen einen entscheidenden Vorteil.

Mike Johnson war nur die vierte Wahl für den Vorsitz des US-Repräsentantenhauses. Und Medien unken, der vielleicht größte Trumpf des in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Republikaners sei, dass er sich noch keine großen Feinde gemacht habe. Jetzt ist der Unterstützer des früheren Präsidenten Donald Trump in das dritthöchste Staatsamt in den USA gewählt worden – nach drei chaotischen Wochen der Blockade des Repräsentantenhauses.

Vermutlich bekam der erzkonservative Abgeordnete aus dem südlichen Bundesstaat Louisiana deswegen am Mittwoch parteiübergreifend so viel Applaus bei seiner ersten Rede als neu gewählter "Speaker": Bei Republikanern wie Demokraten ist die Erleichterung riesig, dass das Repräsentantenhaus jetzt wieder handlungsfähig ist.

Präsident Joe Biden braucht den Kongress, um neue Militärhilfen für Israel und die Ukraine auf den Weg zu bringen und um eine schon Mitte November drohende Haushaltssperre abzuwenden. Und die Republikaner waren erpicht darauf, endlich ihre Grabenkämpfe zu beenden, die nicht nur dem bisherigen Vorsitzenden Kevin McCarthy das Amt gekostet, sondern auch drei nominierte Nachfolge-Kandidaten zerschlissen hatten.

Wer ist Mike Johnson?

Es waren diese chaotischen Umstände, die den politischen Nobody Johnson aus dem parlamentarischen Schatten ins Rampenlicht des "Speaker"-Amtes trugen. Die der Selbstzerfleischung überdrüssigen Republikaner, die im Repräsentantenhaus über eine knappe Mehrheit verfügen, stimmten am Mittwoch geschlossen für ihn.

Der 51-jährige Jurist und frühere Radiomoderator aus dem Bundesstaat Louisiana sitzt seit 2017 im Repräsentantenhaus. Der vierfache Vater ist evangelikaler Christ. Johnson war bislang Teil der erweiterten Fraktionsführung der Republikaner, ist auf nationaler Bühne aber weitgehend unbekannt und hat im Repräsentantenhaus bislang nicht mal einen Ausschuss geleitet.

Selbst Parteikollegen machten keinen Hehl daraus, dass Johnson für den Posten vergleichsweise wenig Erfahrung aufweist. "Er wird ein wenig lernen müssen", sagte der Republikaner Tom Cole der "Washington Post". Ein anderer, nicht namentlich genannter Parlamentarier wurde zitiert mit den Worten: "Seine Bilanz ist nicht überragend."

Johnson ist inhaltlich ein Hardliner, tritt vom Stil her aber moderater auf als andere und hat in der Fraktion keine persönlichen Feindschaften entwickelt – im Unterschied zu prominenteren Gesichtern vom rechten Rand.

Vor allem aber hat er einen gewichtigen Fürsprecher: Donald Trump. Der frühere US-Präsident, der gegen einen vorherigen moderateren Kandidaten offen Stimmung gemacht hatte, warb für Johnson. Demokraten argumentierten, es sei bei der Kandidatenauswahl allein darum gegangen, Trump zu besänftigen. Die Demokratische Parteizentrale bezeichnete Johnson als "Marionette, die im Repräsentantenhaus nach Trumps Pfeife tanzt".

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Wo steht Johnson politisch?

Johnson gehört zur religiösen Rechten seiner Fraktion, ist Abtreibungsgegner und lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Er zählt zu Trumps loyalen Anhängern. Johnson weigerte sich seinerzeit, Trumps Niederlage gegen Biden bei der Präsidentenwahl 2020 anzuerkennen, und unterstützte damals auf juristischem Weg Trumps Bemühungen, den Wahlausgang nachträglich ins Gegenteil umzukehren. Johnson war auch im Verteidigerteam bei Trumps Amtsenthebungsverfahren.

Er ist auch für einen harten Kurs in der Einwanderungspolitik bekannt, wirbt für die freie Marktwirtschaft und ist fiskalpolitisch ein Hardliner. Bei seiner Antrittsrede am Mittwoch bezeichnete er den Schuldenberg des Landes als "die größte Bedrohung für unsere nationale Sicherheit".

Das lässt nichts Gutes erahnen für die anstehenden Haushaltsverhandlungen mit dem Weißen Haus, mit denen ein Mitte November drohender Shutdown verhindert werden soll. Und während Johnson vom Pult des Repräsentantenhaus-Vorsitzenden sogleich neue Hilfen für Israel versprach, erwähnte er die von Russland angegriffene Ukraine mit keinem Wort.

Radikale Abgeordnete, darunter die acht Parlamentarier, die McCarthys Sturz initiiert hatten, feierten Johnsons Wahl – auch als Zeichen eines Erstarkens des rechten Flügels. Tatsächlich zeigt die Personalie, wie weit die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus nach rechts gerückt ist und welchen Einfluss Trump dort hat.

Der Ex-Präsident konnte sich zwar nicht durchsetzen mit seinem Wunsch-Hardliner Jim Jordan, für den er sich stark gemacht hatte. Doch zeigte Trump eindrucksvoll seine Fähigkeit, Chaos zu stiften und den Wahlprozess zu lenken durch Wortmeldungen in die eine oder andere Richtung. Ob es dem wenig erfahrenen Johnson nun gelingen wird, das Chaos dauerhaft zu beenden und die weiter zersplitterte Fraktion bei kommenden Abstimmungen zusammenzuhalten, ist fraglich.

Vorläufiges Ende von Chaos-Wochen

Der vorherige Vorsitzende der Parlamentskammer, Kevin McCarthy, war Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung abgewählt worden. Radikale Republikaner hatten ihn aus dem Amt getrieben. Danach versank die Parlamentskammer im Chaos: Die tief zersplitterte republikanische Fraktion konnte sich nicht auf einen neuen Frontmann verständigen. Drei Kandidaten vor Johnson schmissen hin, weil ihnen der Rückhalt in den eigenen Reihen fehlte – zwei davon, bevor es überhaupt zu einer Abstimmung im Plenum kam. Der Republikaner Jim Jordan ließ drei erfolglose Wahlgänge in der Kammer über sich ergehen, bevor seine Fraktion ihn aus dem Rennen nahm. Die gesetzgeberische Arbeit in der Kammer stand in der Zwischenzeit weitestgehend still, was den Republikanern viel Kritik einbrachte.

Auch republikanische Abgeordnete äußerten sich in den vergangenen Tagen zunehmend frustriert und verärgert. Die Fraktion bemühte sich daher nun um ein Signal der Einigkeit und wählte Johnson bei dessen erstem Anlauf einstimmig auf den Spitzenposten. Johnson versicherte nach seiner Wahl, die Fraktion sei nun geeint und gehe gestärkt aus den Turbulenzen hervor. "Wir haben eine Menge Lektionen gelernt", sagte er. "Durch Widrigkeiten wird man stärker." Das Repräsentantenhaus sei nun zurück und seine Fraktion werde hart arbeiten, Teamwork zeigen und für das amerikanische Volk abliefern.

Ein Berg an Aufgaben

Tatsächlich hat die Parlamentskammer jede Menge zu tun. Bis Mitte November muss der Kongress einen neuen Haushalt verabschieden, sonst droht ein Stillstand der Regierungsgeschäfte – ein "Shutdown". Dann läuft nämlich ein Übergangshaushalt aus. Das Parlament muss sich auch mit dem Gaza-Krieg und dem Langzeitkonflikt in der Ukraine beschäftigen. US-Präsident Joe Biden beantragte vergangene Woche ein mehr als 100 Milliarden US-Dollar (rund 94,5 Milliarden Euro) schweres Hilfspaket beim Kongress, das Unterstützung für die Ukraine und Israel enthält. Es ist aber fraglich, ob der Kongress zustimmen wird. Eine wachsende Zahl von Republikanern sieht die Hilfe für Kiew zunehmend kritisch oder lehnt sie gar völlig ab. Johnson selbst hat sich in der Vergangenheit gegen US-Hilfen für das von Russland angegriffene Land gestellt.

Die USA sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. In dem verabschiedeten Übergangshaushalt sind auf Druck von Teilen der republikanischen Fraktion keine weiteren Hilfen für das Land vorgesehen. Und das bisher vom Kongress genehmigte Geld für Kiew geht zur Neige, neue Mittel müssen deshalb dringend her. Ob die Ukraine bei einem Repräsentantenhaus unter Johnsons Führung mit baldigen Hilfen rechnen kann, ist unklar. Das wiederum könnte bedeutsame Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben.

DPA · AFP
mkb, Christiane Jacke, Frankie Taggar