Vor Untersuchungsausschuss "Ibiza-Video hätte es nicht geben müssen": Mutmaßlicher Drahtzieher wirft Polizei Versagen vor

Regierungskrise in Österreich: Strache-Affäre: Die Chronik des Skandals
Sehen Sie im Video: Strache-Affäre – Chronik der Regierungskrise in Österreich.




17.5.2019
"Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel“ veröffentlichen ein Video mit brisantem Inhalt: Es zeigt den österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Gespräch auf Ibiza 2017.
Der rechtspopulistische FPÖ-Politiker stellt einer vermeintlichen russischen Oligarchin öffentliche Aufträge in Aussicht. 
Dafür solle sie seiner Partei zum Wahlerfolg verhelfen.


18.5.2019
Nach der Veröffentlichung tritt Strache zurück. 
Das Video bezeichnet er als "ein gezieltes politisches Attentat".
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündet das Ende der Koalition.
Im September soll es Neuwahlen geben.
Kurz soll von der FPÖ die Ablösung des umstrittenen Innenministers Herbert Kickl gefordert haben. 


19.5.2019
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfängt Kurz in der Präsidentschaftskanzlei. 
Der Bundespräsident sagt, das Vertrauen "in einen Teil der Bundesregierung" verloren zu haben.
Kickl schreibt auf Facebook, der Bundeskanzler und Bundespräsident hätten ihm einen Rücktritt nahegelegt.
Am Abend wird Norbert Hofer als neuer Parteichef der FPÖ einstimmig nominiert. 
Der mit Strache in dem Skandalvideo gefilmte FPÖ-Politiker Johann Gudenus tritt aus der FPÖ aus.


20.5.2019
Hofer droht, alle FPÖ-Minister abzuziehen, sollte Kanzler Kurz den Innenminister Kickl absetzen.
Trotz der Regierungskrise signalisiert die EU-Kommission ihr volles Vertrauen in die Institutionen der Alpenrepublik.
Auch in Deutschland schlägt der Skandal Wellen:
Die SPD fordert Kurz auf, die noch verbliebenen Minister der FPÖ zu feuern.
Am Abend gibt Kanzler kurz bekannt, dass er eine Entlassung von Innenminister Kickl will.
Das habe Kurz mit Van der Bellen abgesprochen.
Offiziell kann in Österreich nur der Bundespräsident einen Minister entlassen. 
Daraufhin teilt ein FPÖ-Sprecher mit, dass alle Minister der rechten Partei die Regierung verlassen werden.
Bis zur Neuwahl werden ihre Posten von Experten oder Spitzenbeamten übernommen.


21.05.2019
Auf Facebook beteuert Strache seine Unschuld: "Wir werden die Hintermänner des kriminell erstellten Videos und Dirty Campaignings ausfindig machen und ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Dafür kämpfe ich!"
Vor zwei Jahren hat die Ibiza-Affäre Österreich erschüttert und eine Regierungskoalition zerstört. Jetzt hat der mutmaßliche Drahtzieher des damals veröffentlichten Videos vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Polizei und Politik warf er Versagen vor.

Rund zwei Jahre nach Bekanntwerden des folgenreichen Ibiza-Videos hat der mutmaßliche Drahtzieher die Hintergründe der Aktion vor einem Untersuchungsausschuss geschildert. "Es gab keine involvierten Nachrichtendienste, keinen Auftraggeber, keine Hintermänner", sagte der Privatdetektiv am Donnerstag in Wien.

Das Video sei der Versuch von ihm und einem Anwalt gewesen, den damaligen FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache zu entlarven. Ein ehemaliger Leibwächter hatte zuvor den Parteichef angezeigt, weil Strache unter anderem sehr üppig auf Kosten der FPÖ gelebt haben soll. Die Polizei sei der Anzeige aber nicht wirklich nachgegangen, so der Privatdetektiv. Zu dieser Spesenaffäre wird in Österreich derzeit ermittelt.

Privatdetektiv wirft Politik und Polizei Versagen vor

"Das Video hätte es nicht geben müssen", kritisierte der Sicherheitsexperte. Angesichts der Untätigkeit der Polizei sei es aber darum gegangen, die Vorwürfe anschaulich und bildlich zu dokumentieren. Das grundlegende Ziel, ein Schlaglicht auf politische Unsitten, verdächtige Geldflüsse und Korruption in Österreich zu werfen, sei bestenfalls teilweise erreicht worden. Die Politik befasse sich aus seiner Sicht nur widerwillig mit dem Thema, so der Privatdetektiv. Er habe vielmehr den Eindruck, dass er mundtot gemacht werden solle. Er fürchte, kein faires Verfahren zu bekommen, sagte der in Untersuchungshaft sitzende Mann.

Der Privatdetektiv war in Berlin festgenommen und kürzlich von Deutschland an Österreich ausgeliefert worden. Die österreichische Justiz ermittelt gegen ihn wegen Drogenhandels und Erpressung.

Mehrere hoch dotierte Angebote für Ibiza-Video

Das im Mai 2019 veröffentlichte Video, auf dem Strache anfällig für Korruption wirkt, hatte zum Sturz der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung geführt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte nach dem Rücktritt von Strache die Koalition auf- und Neuwahlen angekündigt. 

Er habe das Video weder persönlich zum Kauf angeboten noch jemanden damit erpresst, sagte der Privatermittler am Donnerstag. Nach der Veröffentlichung habe es mehrere, teils hoch dotierte Angebote gegeben. "Es ist kein Geld geflossen", betonte er. In vorherigen Sitzungen des Ausschusses hatten ehemalige Berater der sozialdemokratischen SPÖ dagegen geschildert, wie ihnen ein Wiener Anwalt das Video gegen Bezahlung für den Nationalratswahlkampf 2017 angetragen habe, aber damit abgeblitzt sei.

Russische Oligarchin "intelligenter" Lockvogel

In der Sitzung am Donnerstag beschrieb der Privatdetektiv die angebliche russische Oligarchen-Nichte, die im Ibiza-Video als Lockvogel eine wichtige Rolle spielt, als "durchaus intelligent". Die Vorbereitung auf das Treffen sei eher kurz gewesen. "Es gab kein Trainingslager."

Ein wichtiger Ausschnitt des mehrstündigen, heimlich aufgenommenen Videos von 2017 zeigt Strache, wie er in augenscheinlich angetrunkenem Zustand darüber nachdenkt, Redakteure der auflagenstarken "Kronen Zeitung" im Sinne der FPÖ schnell auszutauschen ("Zack, Zack, Zack"). Dieser Aspekt des Gesprächs in einer Finca auf Ibiza sei gar nicht geplant gewesen, sagte der Privatdetektiv weiter.

Privatdetektiv wurde selbst überwacht

Er sei nach Veröffentlichung des Videos mehrfach überwacht worden. Teils auf eher amateurhafte, teils auf höchst professionelle Weise. Die Ermittlungen gegen ihn sprengten aus seiner Sicht jeden Rahmen. Das gelte für die zahlreichen Hausdurchsuchungen an Orten, die er nie bewohnt habe. Das gelte aber auch für andere Ansätze: "Es gab eine Vielzahl von Telefonüberwachungen." Allein in Deutschland habe das 100.000 Handys betroffen. 

Der Untersuchungsausschuss soll aus Anlass des Ibiza-Videos die mutmaßliche Käuflichkeit der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung untersuchen. Eine zentrale Rolle spielen dabei etwaige Parteispenden und der Verdacht, dass für sie Gegenleistungen erbracht worden sein könnten. 

DPA
cl/tkr