Nachkriegsordnung Ein Jahr soll's schon sein

Die USA haben eine Resolution zur Aufhebung der Irak-Sanktionen vorgelegt, mit der sie das Mandat für eine weitgehende Kontrolle des Landes für mindestens ein Jahr verlangen. Die UN kommt auch vor in den Plänen - ganz am Rande.

Das politische Krötenschlucken im Konflikt um den Nachkriegs-Irak beginnt nicht im Saal des UN-Sicherheitsrates, sondern eine Autostunde nördlich von New York. Eigentlich wollten die Botschafter der 15 Ratsmitglieder am Wochenende in dem beschaulichen Ort Pocantico Hills bei einer lange geplanten Runde Reformvisionen für die UN der Zukunft erörtern. Doch einen Tag vorher legten die USA ihre Resolution zur Aufhebung der Irak-Sanktionen vor, mit der sie das Mandat für eine weitgehende Kontrolle des Landes für mindestens ein Jahr verlangen.

"Das lässt unser schön gedachtes Treffen anders verlaufen", sagt ein westlicher Botschafter. "Wir werden bereits in den konkreten Verhandlungs-Clinch gehen." Das Krötenschlucken wird vor allem Russland und Frankreich zugemutet. Deutschland - als nur zeitweiliges Mitglied des Rates ohne Veto-Recht sowieso nur eine Randmacht - hat den Amerikanern kürzlich durch den eigens nach Washington entsandten Kanzlerberater Bernd Mützelburg zugesichert, es werde nicht im Wege stehen.

Wer kontrolliert das schwarze Gold

Hauptstreitpunkt in der acht Seiten langen US-Resolution ist nach Einschätzung von Diplomaten jener Länder, die den Krieg zu verhindern suchten, die Kontrolle über Iraks schwarzes Gold. Die Erlöse aus dem Erdöl-Verkauf sollen nach US-Vorstellungen bis zur Bildung einer legitimen Regierung in einen so genannten Unterstützungsfonds fließen, den nicht die UN, sondern die Besatzer verwalten. Mit den Petro-Milliarden sollen nicht nur die Importe zur Versorgung der Bevölkerung, sondern auch die Modernisierung der Ölförderungsanlagen und der gesamte Wiederaufbau der Wirtschaft bezahlt werden. Bisher wurden vor allem US-Konzerne mit Aufträgen bedacht.

So "vital" wird die Rolle der UN nicht

Die "vitale Rolle" der UN im Nachkriegs-Irak, die US-Präsident George W. Bush versprochen hatte, entpuppt sich nun als Position am Katzentisch der Besatzer. Ein UN-Sonderbeauftragter soll zwar mit den USA und Großbritannien bei der Organisierung der humanitären Hilfe, beim Aufbau von Behörden und der Polizei sowie bei der Reform der Justiz zusammenarbeiten. Doch die Resolution gebe "dieser Person", wie die "New York Times" schreibt, "nur wenig beziehungsweise gar keine Befugnisse bei der Bildung der irakischen politischen und behördlichen Institutionen".

UN-Waffenkontrolleure "haben nichts zu tun"

Das hatten sich Moskau und Paris - und früher auch Berlin - anders vorgestellt, als sie eine "zentrale Rolle für die UN" beim Wiederaufbau des Iraks verlangten. Eine weitere Forderung wird in dem US-Text erst gar nicht erwähnt, nämlich die nach Klärung des Verbleibs der angeblich von Saddam Hussein angehäuften Massenvernichtungswaffen. Das war der offiziell angegebene Kriegsgrund. Für die UN-Waffenkontrolleure gebe es "in der absehbaren Zukunft im Irak nichts zu tun", erklärte Washingtons UN-Botschafter John Negroponte.

Dafür wollen die USA die Zahl ihre eigenen Waffensucher, die keiner unabhängigen Kontrolle unterliegen, verdreifachen. "Irgendwann werden die einen Fund präsentieren", sagt ein europäischer Diplomat aus der Fraktion der Kriegsgegner. "Die UN können das dann glauben oder nicht."

"Öl für Lebensmittel" hat noch Milliarden übrig

Aber es gibt auch einen Verhandlungsspielraum in der US- Resolution. Sie lässt zu, dass im Rahmen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel", das noch über mehr als zehn Milliarden Dollar aus Ölverkäufen vor dem Krieg verfügt, einige Lieferverträge mit der Saddam-Regierung erfüllt und bezahlt werden. Die hatten nicht US- Konzerne, sondern vor allem russische, französische und chinesische Firmen bekommen. "Die Russen können sich jetzt entscheiden, ob sie 1,5 Milliarden Dollar für Ölausrüstungen kassieren oder in den Wind schreiben", sagt ein Diplomat von der Sieger-Fraktion.

USA werden ihre Pläne in jedem Fall durchsetzen

Dass die Supermacht USA zwar bereit ist, einige Wochen zu verhandeln und ein paar Zugeständnisse zu machen, am Ende jedoch erneut ohne Mandat der internationalen Gemeinschaft ihre Irak-Pläne umsetzen wird, gilt unter den Botschaftern im Sicherheitsrat als ausgemacht. Sollte das Gremium die Aufhebung der Sanktionen verweigern, schrieb die Zeitung "USA Today" unter Berufung auf Regierungskreise, "könnten die USA zwar komplexen juristischen Gefechten ausgesetzt sein, doch der Schaden für die Glaubwürdigkeit der UN wäre größer".