An der Grenze zwischen Israel und dem nördlichen Gazastreifen droht die Gewalt zu eskalieren: Nach einem neuerlichen Raketenbeschuss der Ortschaft Sderot flog die israelische Luftwaffe am Sonntag einen Angriff auf das Autonomiegebiet und tötete mindestens zwei militante Palästinenser. Die regierende Hamas-Bewegung bestätigte, dass es sich um zwei ihrer Mitglieder handele. Mindestens drei weitere militante Palästinenser wurden nach Krankenhausangaben verletzt. In der Nacht waren 17 Geschosse auf israelischem Territorium eingeschlagen. Dabei wurde ein Israeli in Sderot nach Behördenangaben lebensgefährlich verletzt.
Hamas bekennt sich zu Raketenbeschuss
Der militärische Flügel der regierenden Hamas-Bewegung bekannte sich zu neun der Raketenangriffe. Diese würden fortgesetzt, bis alle Bewohner aus Sderot geflohen seien. "Wir haben beschlossen, Sderot zur Geisterstadt zu machen", erklärte ein Sprecher. Die Hamas hat den seit 16 Monaten geltenden informellen Waffenstillstand mit Israel am Freitagabend aufgekündigt. Zuvor waren beim Beschuss einer palästinensischen Familienfeier am Strand des nördlichen Gazastreifens mindestens acht Zivilpersonen ums Leben gekommen.
Bei einer Explosion in Dschebalija im Gazastreifen wurde am Sonntag ein Mitglied des Islamischen Dschihads getötet. Nach Angaben der palästinensischen Feuerwehr ereignete sich die Explosion im Haus des Extremisten. Es habe keinen Angriff von außen gegeben. Der Islamische Dschihad erklärte dagegen, die israelische Luftwaffe habe die Explosion verursacht.
Hamas ruft zu Boykott von Referendum auf
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas setzte unterdessen für den 26. Juli ein Referendum über die faktische Anerkennung Israels an. Das Volk soll über ein 18-Punkte-Papier abstimmen, das in Israel inhaftierte prominente Palästinenser verfasst haben. Die Hamas hat sich bereits gegen die Abstimmung ausgesprochen. Ministerpräsident Ismail Hanija forderte die Bevölkerung zum Boykott auf.
Abbas, der der gemäßigteren Fatah angehört, hatte die Hamas ultimativ aufgefordert, dem Dokument zuzustimmen, das zur Bildung eines palästinensischen Staates an der Seite Israels aufruft. Damit würde zumindest indirekt das Existenzrecht Israels respektiert, was die Hamas-Regierung ebenso ablehnt wie einen Gewaltverzicht. Der Entwurf geht auf den populären Fatah-Funktionär Marwan Barghuti zurück, der in Israel zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Es wird erwartet, dass das Dokument eine breite Mehrheit in der Bevölkerung findet. Dies wäre für die Hamas zwar nicht bindend, würde aber den Druck erheblich erhöhen.
Abbas hält an Referendum fest
Einer der Autoren distanzierte sich am Sonntag von dem Dokument. Er stehe nicht länger hinter dem Text, der von Abbas aus politischen Gründen "missbraucht" worden sei, ließ das inhaftierte Hamas-Mitglied Abdel Chalek Natsche erklären. Es handele sich inzwischen "komplett um ein Fatah-Dokument", sagte ein Hamas-Sprecher im Namen Natsches und eines Mitglieds des Islamischen Dischihads, das den Text ebenfalls unterzeichnet hatte.
Der israelische Staatspräsident Mosche Katzav erklärte, das Referendum werde den Nahost-Friedensprozess nicht voranbringen. Die Spannungen mit den Palästinensern würden dadurch nicht entschärft, sagte Katzav am Sonntag in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Der Hamas-Regierung warf er vor, die Kluft zwischen Palästinensern und Israelis weiter vertieft zu haben. Sollte sich die radikalislamische Organisation weiter weigern, Israel anzuerkennen und der Gewalt abzuschwören, werde die Regierung in Jerusalem "alternative Wege finden müssen, ihre Bürger zu schützen".