Israelische Truppen haben am Freitag mit massiver Panzerunterstützung das Hauptquartier des palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat in Ramallah sturmreif geschossen und die Gebäude dann nach heftigen Kämpfen besetzt. Arafats Bewegungsspielraum wurde nach Angaben der israelischen Armee bis auf seinen Amtssitz eingeschränkt. Israel sagte den USA zu, dass Arafat kein Schaden zugefügt wird. Er solle aber isoliert werden. Ministerpräsident Ariel Scharon hatte Arafat zuvor offiziell zum Feind erklärt und den Amtssitz in Ramallah angreifen lassen.
In fensterlosem Raum verschanzt
Zusammen mit seinen engsten Beratern verschanzte sich der Präsident der Autonomieverwaltung in einem fensterlosen Raum. Israelische Soldaten drangen in die Gebäude ein und lieferten sich Häuserkämpfe mit Arafats Verteidigern. Gegen Abend wurden die Stromversorgung für den Komplex und die Telefonleitungen abgeschaltet, ein Generator zerstört. Die israelischen Soldaten kreisten Arafat immer mehr ein. Das Gebäude sei für die Soldaten aber tabu, erklärte die Armee, die damit palästinensischen Angaben widersprach. Vertraute Arafats hatten erklärt, er kontrolliere nur noch ein Stockwerk.
Arafat hat Ramallah seit Dezember nicht mehr verlassen
Bis zum Nachmittag besetzten mehr als 20 Panzer das weiträumige Gelände der Autonomiebehörde. Scharfschützen bezogen Stellung auf den Dächern mehrerer Gebäude. Arafat hat Ramallah seit Dezember nicht mehr verlassen, weil Israel seine Reisefreiheit eingeschränkt hat. Bei den Gefechten in Ramallah starben fünf Palästinenser und ein Israeli, 25 palästinensische Kämpfer wurden verletzt. Nach israelischen Angaben wurden rund 60 Personen festgenommen und verhört.
Während Arafat in Gesprächen mit ausländischen Regierungen um internationale Hilfe bat, lag eine Maschinenpistole in Griffweite auf dem Tisch. »Sie wollen mich verhaften oder ins Exil schicken oder töten«, sagte Arafat telefonisch dem arabischen Sender El Dschasira. »Möge Gott uns zu Märtyrern machen.«
Israel mobilisiert 20.000 Reservisten
Die israelische Armee mobilisierte am Freitag wegen der Offensive im Westjordanland tausende Reservisten. Es könnte die größte Mobilmachung seit mehr als einem Jahrzehnt werden. Im israelischen Armeerundfunk hieß es, insgesamt würden 20.000 Reservisten mobilisiert.
Aufruf zu Zurückhaltung
US-Außenminister Colin Powell rief Scharon auf, sich zurückzuhalten und an die Konsequenzen zu denken, die sich aus einer militärischen Eskalation ergäben. Scharon begründete die Entscheidung zum Angriff mit der jüngsten Anschlagsserie.
18-jährige Palästinenserin verübt Selbstmordattentat
Weiter verschärft wurde die kritische Situation am Freitag durch einen Selbstmordanschlag in Jerusalem, bei dem drei Menschen getötet und 19 verletzt wurden. In einem Einkaufszentrum im Jerusalemer Arbeiterviertel Kirjat Jowel riss am Freitag eine 18-jährige Palästinenserin zwei Menschen mit sich in den Tod. Damit kamen bei Terrorakten gegen Israel innerhalb von drei Tagen 30 Menschen ums Leben. Allein in Netanja wurden bei einem Anschlag zum jüdischen Passah-Fest am Mittwoch 22 Menschen getötet. Bei einem Überfall auf eine jüdische Siedlung wurden am Donnerstag vier Israelis getötet; im Gazastreifen wurden am Freitag zwei Israelis erstochen.
Teilnehmer des arabischen Gipfels in Beirut werteten die israelische Offensive als Ablehnung ihrer Friedensinitiative. Der ägyptische Außenminister Ahmed Maher sagte am Freitag, Scharon habe mit einer »törichten Kriegsbotschaft« auf das Angebot der Arabischen Liga geantwortet. Die Organisation von 21 Staaten und der palästinensischen Autonomiebehörde bot Israel einen Friedensvertrag und normale Beziehungen mit allen arabischen Ländern an, wenn im Gegenzug alle 1967 besetzten Gebiete geräumt und ein palästinensischer Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt errichtet wird. Außerdem wird ein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge verlangt.