Sie wird begleitet von zwei Assistenten und litauischen Sicherheitsbeamten, gerade erst ist Swetlana Tichanowskaja aus der Corona-Quarantäne entlassen worden. Noch hat sie mit keinem westlichen Medienvertreter gesprochen seit ihrer Flucht ins Exil einen Tag nach der Präsidentenwahl in Belarus, Lévy wird sie für den stern als erster Reporter interviewen.
Die Wahl sei eindeutig für sie entschieden, erzählt Tichanowskaja: „Lukaschenkos Wiederwahl wurde gefälscht. Keine ernstzunehmende Person hat sie anerkannt, nirgendwo.“
Lévy erzählt im stern vom Treffen mit einer Frau, die noch schwankt in ihren Rollen zwischen Zivilistin, Mutter und Hausfrau und einer neuen politischen Gallionsfigur des belarussischen Widerstandes gegen das Regime Lukaschenko. „Mein Mann gab mir den Mut, den ich brauchte“, erzählt Tichanowskaja. Und: „Der Macho Lukaschenko hat uns Frauen nicht kommen sehen. Er beschimpft uns als politisch unfähige Tussis – die aber die ersten Massendemonstrationen in der Geschichte Belarus ausgelöst haben.“
Auf die Zukunft angesprochen sagt Tichanowskaja: „Ich will nicht unbedingt regieren. Meine Prioritäten sind die Befreiung der politischen Gefangenen, die Verurteilung der kriminellen Schläger in der Polizei und freie Wahlen in meinem Land“ Und sie stellt fest, dass sich Belarus nicht von Russland abwenden werden kann, zu eng sind allein die wirtschaftlichen Verflechtungen: „Belarus ist nicht die Ukraine“
"Hier entscheidet sich das Schicksal Europas"
Am Ende wendet sich Tichanowskaja über Lévy an die europäischen Staaten: „Europa muss uns helfen, Lukaschenko zu überzeugen, dass seine Zeit vorbei ist. Dass er gehen muss.“ Und Lévy ruft im stern auf: „Unterstützen wir sie! Lasst uns um sie eine dieser Solidaritätsketten spannen, die damals so viele Dissidenten der Sowjetunion und des Ostblocks gerettet haben. Hier, genau hier, so schreibt er, entscheidet sich das Schicksal Europas.“