Angriff auf Schwulen-Club Wie Trump das Orlando-Massaker schamlos ausnutzt

Die entsetzliche Tat von Orlando war wenige Stunden her, da versucht Donald Trump schon Kapital aus dem Massaker zu schlagen. Die Schießerei war ein Charaktertest für den Präsidentschaftskandidaten, den er nicht bestanden hat.

Wer niemand anderen als Donald Trump in den vergangenen Monaten zugehört, oder wahlweise ausschließlich seine Twitter-Auslassungen gelesen hat, könnte glauben, die USA stünden kurz vor dem Zerfall, die Bevölkerung traute sich aus purer Angst nicht mehr vor die Tür, weil da draußen islamistische Banden brandschatzend durch das Land zögen. Zum Glück sind die Vereinigten Staaten sehr weit weg von diesem Szenario, aber das schert einen Scharfmacher wie ihn nicht. Denn der US-Vorwahlkampf hat ihm gezeigt, dass er mit Panikschürerei bei vielen Wählern auf sehr viele, offene Ohren stößt. Wie zur Bestätigung seiner apokalyptischen Warnungen richtet nun ein Mann mit afghanischen Wurzeln ein entsetzliches Massaker in Orlando, Florida an. Islamistischer Hintergrund nicht ausgeschlossen.

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So unterschiedlich reagieren Clinton und Trump auf das Orlando-Massaker

"Orlando gibt mir Recht, gratuliert mir (nicht)"

Also, Auftritt Trump, kurz nach dem Anschlag: "Schrecklicher Zwischenfall in Florida. Bete für alle Opfer und deren Familien." Keine Stunde später, sinngemäß: "Ich hatte Recht mit dem radikalislamischen Terrorismus. Danke für die Gratulationen für meine Äußerungen. Aber ich möchte keine Gratulationen, ich verlange Härte und Wachsamkeit." Da ist er also wieder, der skrupellose Wahlkämpfer, der schamlos eine fürchterliche Bluttat für seine Zwecke ausnutzt. Nach einer Anstands-Beileidsbekundung springt die selbstverliebte Egomaschine Trump an, obwohl viele Details und genaue Hintergründe der Tat nach wie vor unklar sind.

Donald Trump fordert Obama zum Rücktritt auf

Dieser eine Kommentar aber reicht nicht, keine zwei Stunden später fordert der Milliardär US-Präsident Barack Obama zum Rücktritt auf und retweetet seine Fanpost, in der jemand schreibt: Hillary Clinton als Präsidentin ginge gar nicht, das gäbe nur Ärger. Und schließlich zückt Trump noch die ganz größe Keule: "Das ist erst der Anfang. Ich habe die Sache beim Namen genannt und den Zuzugsstopp (von Muslimen) gefordert." 53.000 Mal wurde jede seiner Einlassungen im Durchschnitt geliked, das ist nicht deutlich mehr als bei seinen anderen Tweet, aber es ist mehr.

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Schon nach der Schießerei im kalifornischen San Bernadino im Dezember mit 14 Toten vergangenen Jahres hatte Trump lauthals ein Einreiseverbot für Muslime verlangt, war aber wenig später wieder davon abgerückt, weil die Empörung darüber zu laut wurde. Abgesehen davon war der Mann des Attentäterpaars von San Bernardino genauso gebürtiger Amerikaner wie der mutmaßliche Schütze von Orlando. Aber solche "Details" interessieren weder Donald Trump noch seine unter Schock stehenden Wähler. Ihnen dürstet es nach Rache und Härte, und der republikanische Präsidentschaftskandidat ist mehr als willig, genau das zu versprechen. Und welchen anderen Satz als Trumps (nachvollziehbare, aber hirnlose) Lieblingsparole "Ich würde den IS zur Hölle bomben" würden die verunsicherten Menschen derzeit lieber hören?

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Tausende trauern um die Opfer von Orlando

Donald Trump: voreilig, geistlos, leer, hässlich

Wahl- und Meinungsforscher weisen schon länger darauf hin, dass die Angst der Amerikaner vor islamistischen Anschlägen eines der wichtigsten Wahlkampfthemen sei. Auch deswegen bedient Trump das Gefühl der Bedrohung mit simplen Botschaften von Härte und Ausgrenzung. Differenzierte Töne, Sachlichkeit und Mäßigung werden in der aufgeheizten Stimmung wohl so schnell wohl kein Gehör mehr finden. Dieses Attentat hat das Zeug, den ohnehin schrillen US-Wahlkampf noch weiter anzuheizen. Der Zeitschrift "The New Yorker" schwant bereits Böses: "Die Tragödie in Orlanda ist ein guter Test für Donald Trumps demagogischen Instinkte. Und seine ersten Reaktionen offenbaren seinen Charakter: voreilig, geistlos, leer, hässlich - ein Vorgeschmack auf den anstehenden Wahlkampf."